Ratgeber: Früher in Rente
Lebensarbeitszeitkonto
So funktioniert ein Zeitwertkonto
Den Ruhestand früher genießen, eine Auszeit einlegen, Zeit für die Kinder nehmen – und trotzdem weiterhin Geld vom Arbeitgeber beziehen? Ein Zeitwertkonto macht es möglich. Aber wie genau funktioniert so ein Lebensarbeitszeitkonto? Was müssen Sie und Ihr Arbeitgeber bei der bezahlten Arbeitsfreistellung beachten? Unser Ratgeber hat die Antworten.
Das Grundprinzip eines Zeitwertkontos ist einfach: Arbeitnehmer zahlen einen Teil ihres Lohns oder Gehalts darauf ein, zum Beispiel einen fixen Anteil oder Zahlungen für Überstunden. Wenn sie sich später längerfristig freistellen lassen, erhalten sie für diese Zeit Auszahlungen aus ihrem Zeitwertkonto (auch Lebensarbeitszeitkonto oder Langzeitkonto genannt). Sie sind während der Freistellung weiterhin bei ihrem Arbeitgeber beschäftigt, ihre sozialversicherungsrechtlichen Ansprüche bleiben also bestehen.
Der Unterschied zwischen Zeitwert- und Gleitzeitkonto
Das Zeitwertkonto dient im Gegensatz zum Gleitzeitkonto nicht dazu, Überstunden zu erfassen oder die tägliche oder wöchentliche Arbeitszeit zu gestalten, um gelegentlich einen Nachmittag frei zunehmen. Es wird ausschließlich für längerfristige Freistellungen eingerichtet.
Vielfältige Freistellungsmöglichkeiten
Das Lebensarbeitszeitkonto wird immer über Ihren Arbeitgeber geführt und erfordert eine schriftliche Vereinbarung. Hier wird zum Beispiel festgelegt, wofür Sie das angesammelte Wertguthaben auf Ihrem Zeitwertkonto verwenden dürfen. Typische Szenarios für sozialversicherungsrechtlich geschützte Freistellungsgründe sind ein früherer Ruhestand, Elternzeit, die Pflege von Angehörigen, eine längere bezahlte Auszeit („Sabbatical“), eine Weiterbildung oder der Übergang in eine Teilzeitbeschäftigung. Die mit Abstand häufigste angestrebte Freistellung ist der Vorruhestand.
Rechtliche Grundlage
Rechtliche Basis der Lebensarbeitszeitkonten ist das Flexi II-Gesetz („Gesetz zur sozialrechtlichen Absicherung flexibler Arbeitszeitregelungen“). Es regelt auch die Umsetzung in der Praxis und wurde 2016 zuletzt angepasst. Das Flexi II-Gesetz erlaubt Ihnen, Ihre bezahlte Freistellung auch nach mehreren Jahren in Anspruch zu nehmen.
Einen rechtlichen Anspruch auf ein Zeitwertkonto gibt es nicht. Allerdings kann ein Rechtsanspruch in einer Betriebsvereinbarung oder dem jeweiligen Tarifvertag festgelegt werden. Letzteres ist zum Beispiel in der Metall- und der Chemieindustrie der Fall, auch Großunternehmen wie Siemens bieten Zeitwertkonten an.
Wer darf ein Lebensarbeitszeitkonto führen?
Wenn nicht anders vereinbart, können grundsätzlich alle Mitarbeiter in einem Unternehmen von einer Wertguthabenvereinbarung profitieren. Also auch Teilzeitkräfte, Minijobber und angestellte Geschäftsführer. Lediglich Geschäftsführer als beherrschende Gesellschafter sind von Lebensarbeitszeitkonten ausgeschlossen.
Ein- und Auszahlungen auf das Zeitwertkonto
Einzahlungen auf das Zeitwertkonto
Typische Vereinbarungen zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern bieten mehrere Möglichkeiten, das Lebensarbeitszeitkonto zu füllen. Dazu gehören beispielsweise:
Auf Ihre Einzahlungen müssen Sie weder Steuern noch Sozialabgaben entrichten, sie werden erst bei der Auszahlung fällig. Diese spätere Versteuerung ist ein weiterer Vorteil des Zeitwertkontos: Die meisten Arbeitnehmer haben bei der Auszahlung ein geringeres Einkommen als bei der Einzahlung (weil Sie zum Beispiel in Rente gehen), müssen also einen niedrigeren Steuersatz bezahlen. Den Zeitraum zwischen Einzahlung und Versteuerung bei Auszahlung lässt sich außerdem nutzen, um die aufgeschobene Steuerzahlung gewinnbringend anzulegen.
Und so viel wird ausgezahlt
In der Freistellungsphase beziehen Sie weiterhin Ihr Gehalt beziehungsweise Ihren Lohn. Diese Zahlungen werden monatlich von Ihrem Zeitwertkonto abgebucht. Die Summe orientiert sich an Ihrem Durchschnitts-Entgelt der letzten zwölf Monate vor Freistellungsbeginn und darf nicht zu stark davon abweichen. In der Regel werden 70 bis maximal 130 Prozent des Durchschnittsbetrages gezahlt. Bei nicht geringfügig Beschäftigten gilt zudem eine Mindestauszahlung von monatlich 450 Euro.
Zeitwertkonten machen attraktive Erträge möglich
Ein Zeitwertkonto ist auch deswegen interessant, weil es je nach Anlageform Erträge erwirtschaftet, zum Beispiel durch Dividenden. Diese Erträge stehen je nach vertraglicher Vereinbarung dem Arbeitnehmer, dem Arbeitgeber oder anteilig beiden zu. Der Gesetzgeber hat festgelegt, dass bis zu 20 Prozent des Wertguthabens in Aktien und Aktienfonds angelegt werden dürfen. Eine höhere Aktienquote ist zulässig, wenn das Guthaben für die Freistellung in den frühzeitigen Ruhestand dient. Eine Mindestverzinsung des Wertguthabens muss der Arbeitgeber Ihnen allerdings nicht zusagen.
Früher in Rente – ein Beispiel
Stand 2022 liegt das reguläre Rentenalter ab Jahrgang 1964 bei 67 Jahren. Wenn ein Mitarbeiter auf seinem Zeitwertkonto ein Wertguthaben in Höhe von 18 durchschnittlichen Monatsgehältern angespart hat, kann er bereits mit 65,5 Jahren in den Vorruhestand freigestellt werden – ohne Rentenkürzung.
Auch ein stufenweises Zurückfahren der Arbeitszeit ist möglich, etwa in Stufen von 75, 50 und 25 Prozent bis hin zum Ruhestand. Wenn diese drei Stufen gleich lang sind, lässt sich unser Beispiel von 18 Monaten auf 36 Monate verlängern.
Umfangreiche Sicherheiten
Ein Zeitwertkonto ist für Sie als Arbeitnehmer eine sichere Anlage: Ihr Arbeitgeber ist gesetzlich verpflichtet, jedes Zeitwertkonto gegen Insolvenz zu sichern. Das geschieht meistens über Einzahlungen in Wertpapierfonds, eine Kautionsversicherung, oder einen Treuhänder.
Darüber hinaus muss der Arbeitgeber Ihnen mindestens die angelegten Beträge sowie den Arbeitgeberanteil zur Sozialversicherung auszahlen, wenn das Wertguthaben in Anspruch genommen wird. Diese Nominalwertgarantie ist gesetzlich verpflichtend. Außerdem muss der Arbeitgeber Ihnen mindestens einmal jährlich den aktuellen Stand Ihres Wertguthabens schriftlich mitteilen.
Was passiert mit dem Zeitwertkonto bei einem Arbeitergeberwechsel?
Falls Sie Ihren Arbeitgeber wechseln und der neue Arbeitgeber ebenfalls Lebensarbeitszeitkonten anbietet, können Sie Ihr angespartes Wertguthaben übertragen.
Sollte der neue Arbeitgeber hingegen kein Zeitwertkonto bereitstellen, haben Sie zwei Möglichkeiten:
Berufsunfähigkeit und Lebensarbeitszeitkonto
Auch bei einer Berufsunfähigkeit, dem Tod des Arbeitnehmers oder einer einvernehmlichen Einigung zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber wird das angesparte Wertguthaben sofort ausgezahlt (im Todesfall an die Erben). In beiden Fällen sind ebenfalls Steuern und Sozialversicherungsanteile zu zahlen.
Lebensarbeitszeitkonto: Auch für Arbeitgeber interessant
Weil Auszeiten, Teilzeit oder eine (stufenweise) Altersteilzeit für Arbeitnehmer immer wichtiger werden, ist ein Lebensarbeitszeitkonto auch für Arbeitgeber von Vorteil. Denn sie motivieren und binden damit langjährige, qualifizierte Mitarbeiter und ihr Know-how. Außerdem hilft das attraktive Angebot, neue Mitarbeiter zu gewinnen, da es einen echten Vorteil im Wettbewerb mit anderen Unternehmen darstellt. Und schließlich lassen sich die Vorruhestandslösungen langfristig flexibler planen, auch unter Berücksichtigung der Altersstruktur im Unternehmen. Trotz seiner flexiblen Möglichkeiten ist das Zeitwertkonto gerade in kleineren und mittleren Unternehmen derzeit noch nicht weit verbreitet.
Früher in Rente: Private Vorsorge nicht vergessen
Wer früher in Rente gehen möchte, sollte neben Möglichkeiten wie dem Lebensarbeitszeitkonto auch die private Vorsorge nicht aus den Augen verlieren. Da die gesetzliche Rente künftig nicht mehr ausreichen wird, um den gewohnten Lebensstandard im Ruhestand zu halten, stehen viele Rentner vor der Herausforderungen einer Versorgungslücke. Damit die sogenannte Rentenlücke geschlossen werden kann, ist eine private Altersvorsorge essentiell. Die LV 1871 bietet hier verschiedene Möglichkeiten wie beispielsweise eine fondsgebundene Rentenversicherung oder eine Basisrente.