Zu den Kulturen, die Beerdigungen fröhlich und ausgelassen begehen, gehört die Gemeinschaft in New Orleans. Hier wechselt getragene Trauermusik zu schnellen und lebensbejahenden Tönen. In den Straßen wird teils noch Stunden nach der Bestattung das Leben des Verstorbenen gefeiert. Willkommen ist dabei jeder – auch freizeitlich gekleidete Touristen.
Internationale musikalische Einflüsse
Ihre Ursprünge haben die Bestattungs- und Trauerrituale von New Orleans in afrikanischen Kulturen. Der Ablauf speist sich aus Traditionen, die Sklaven von ihrem Kontinent mit nach Amerika genommen haben und dort aufrechterhalten wollten. Das Herzstück dieser Beisetzungen ist das Zelebrieren von Leben und Tod durch musikalische Klänge und Tanz. Außerdem sollte der Brauch dem Verstorbenen den Übergang in eine andere Welt erleichtern.
Im Sterben sahen die Afroamerikaner ein Heimgehen nach Afrika, was dem Tod noch eine zusätzliche spirituelle Dimension verlieh und ein Grund zur Freude war. Es war darum umso essenzieller, freudige Melodien in die Bestattung einfließen zu lassen.
Doch die Bestattungsrituale in New Orleans, wie man sie heute kennt, wurden noch durch weitere Kulturen geprägt. Weil Louisiana von den Franzosen, den Spaniern und den Briten kolonisiert worden war, finden sich entsprechende Einflüsse. Insbesondere die Brass Band, eine Kapelle bestehend aus Blechinstrumenten, wurde von den Kolonisatoren zu militärischen und anderen Zwecken eingesetzt. Daher begleitet noch heute eine Brass Band jede Bestattung in New Orleans und spielt verschiedene Jazz-Stücke. Die Kapellen, die Anfang des 20. Jahrhunderts bei Beerdigungen spielten, nahmen den Jazz als neue Musikströmung in ihr Repertoire auf. Durch die katholische Kirche für einige Jahrzehnte unterbunden, konnte sich die Jazz-Bestattung erst ab den 1960er-Jahren voll entwickeln.
Ursprünglich war es nur die arme Bevölkerung von New Orleans, die Jazz-Bestattungen durchführten und die Band mittels Spenden oder zuvor angesammelter Ersparnisse bezahlten. Im Laufe der Zeit wurde dieser Bestattungsritus allerdings immer beliebter, sodass er sich in allen Schichten – und nicht nur unter Musikern und Künstlern – durchsetzte.
Prozession – Route und Musik
Die Prozession beginnt am Haus des Verstorbenen. Sie wird begleitet von der Brass Band und von Angehörigen in einer Kutsche, beziehungsweise heute meist in einem Auto. Zuerst geht es zur Kirche oder dem Bestattungsinstitut. Während dieses Weges spielt die Band traurige und schwere Lieder wie „Nearer my God to Thee“. Nach der Trauerfeier wird der Sarg zur Grabstelle gebracht, wobei die Musik immer noch trauervoll ist.
Nachdem der Sarg beigesetzt wurde, zieht die Prozession zurück in die Nachbarschaft des Verstorbenen. Auch hier werden wieder Trauerlieder angestimmt. In einer angemessenen Entfernung von der Kirche, beziehungsweise dem Friedhof, werden die Lieder von etwas schnelleren, freudigeren Nummern abgelöst. Die fröhlichen Töne signalisieren den Teilnehmern damit, dass die Stimmung ausgelassener wird. Die Musik wandelt sich schließlich zu sehr schnellen, lauten und festlichen Swing-Stücken wie „When the Saints Go Marching in“, die zum ausgelassenen Feiern Anlass geben. Auf diese Weise zelebriert man das Leben, wie das Sterben des Toten und bewahrt dabei gleichzeitig den afrikanischen Ursprungsgedanken.
Während dieses Abschnitts können sich auch weitere Bekannte, Touristen und jeder andere anschließen, der sich respektvoll und angemessen verhält. Die Schaulustigen, die dazukommen, halten sich meist im Hintergrund, weswegen sie „Second Line“ genannt werden, während die Hinterbliebenen und die Band zu der „First Line“ zählen. Die Feier kann in den Straßen der Nachbarschaft beliebig lange fortgehen, was auch davon abhängt, wie bekannt der Verstorbene war. Bei Musikgrößen der Stadt gehen die Feierlichkeiten zum Teil eine Woche lang.
Besondere Jazz-Bestattungen
Eine der denkwürdigsten Jazz-Bestattungen war wohl die symbolische Trauerfeier zu Ehren und in Erinnerung an die Opfer des Hurrikans Katrina im Jahr 2006, bei dem 1700 Menschen ums Leben kamen. Die Prozession bestand unter anderem aus einer Brass Band, der Nationalgarde und einer Kutsche, die einen leeren Sarg transportierte. Der Zug wurde von dem damaligen Bürgermeister Ray Nagin angeführt.
Darüber hinaus werden Spott-Beerdigungen durchgeführt, wie beispielsweise am Tag von Donald Trumps Einzug ins Weiße Haus am 20. Januar 2017. Eine Nachbildung der Freiheitsstatue, die man in einen Sarg gelegt hatte, wurde feierlich in einer Kutsche durch die Straßen gezogen.
Wirkung weltweit
Jazz-Beerdigungen sind durchaus nicht nur auf New Orleans beschränkt. Auch anderenorts werden sie immer beliebter – vor allem unter jüngeren Menschen, die die Musik mit Hiphop-Elementen anreichern. Grundsätzlich wäre eine solche Bestattungsart auch in Deutschland möglich, wenn man den Umzug zuvor anmeldet und eine geeignete Brass Band findet.
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