Kristina Schranz und Caroline Spreitzenbart sind beide gerade erst Mitte zwanzig. Trotzdem setzen sie sich in ihrem Film „Ars Moriendi oder Die Kunst des Lebens“ mit schwerer Kost auseinander: Der philosophisch angehauchte Streifen handelt von Vergänglichkeit, Sterben und Tod. Und vom Sinn menschlichen Daseins. Jetzt wurde der 30-minütige Dokumentarfilm, der bereits das zweite gemeinsame Projekt der beiden österreichischen Filmemacherinnen ist, beim Diagonale Filmfestival in Graz als bester Kurzdokumentarfilm ausgezeichnet.

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Erst einmal herzlichen Glückwunsch zu diesem tollen Preis. Wie ist die Idee für den Film entstanden?

Caroline: Das Ganze hat eigentlich schon 2015 begonnen. Damals wurde in verschiedenen Medien über eine alte Dame berichtet, die sich nach einem bewegten Leben nun noch einmal entschieden hat, zur Uni zu gehen und ihr in jungen Jahren begonnenes Philosophiestudium wieder aufzunehmen. Mit ihren 93 Jahren ist Rosemarie Achenbach die älteste Studentin Deutschlands. Zu dieser Zeit war ich gerade auf der Suche nach einem Thema für eine Semesterarbeit und die Lebensgeschichte dieser bemerkenswerten Dame schien mir der richtige Stoff dafür zu sein. Ich habe telefonisch Kontakt mit ihr aufgenommen und sie war einverstanden, dass wir sie besuchen. Wir haben uns viel unterhalten und dabei schon erste Aufnahmen gedreht. Wir waren sehr beeindruckt von Frau Achenbach, von ihrer Lebenserfahrung und besonders von ihrer ungewöhnlich kecken Art, über das Leben, das Sterben und den Tod zu sprechen. Wir haben gespürt, dass es da filmisch gesehen noch so viel mehr zu erzählen gäbe. Daraus entstand die Idee, über ihr facettenreiches Leben einen Dokumentarfilm zu drehen.

Und dann hatte Caroline dich mit ins Boot geholt, Kristina. Wie habt Ihr Euch gefunden?

Kristina: Caroline und ich studieren ja beide an der Hochschule für Film und Fernsehen in München – ich Regie und sie Kamera. Wir haben uns 2014 schon während der zweiten Semesterwoche in der Mensa an der Essensschlange kennengelernt und gleich viele Gemeinsamkeiten entdeckt. Wir haben herausgefunden, dass wir beide aus Österreich kommen und uns für ähnliche Themen interessieren. Von Anfang an war also Sympathie da. Als Caroline mich fragte, ob ich mit ihr gemeinsam diesen Film machen wolle, war ich sofort begeistert.

Ihr seid beide gerade einmal Mitte zwanzig. In „Ars Moriendi oder Die Kunst des Lebens“ setzt Ihr Euch mit Lebenszeit und Tod auseinander. Warum so ein schweres Thema?

Kristina: Nur weil man jung ist, heißt das ja nicht, dass man sich keine Sinnfragen stellt. Ich persönlich habe sehr viel Ehrfurcht vor dem Tod und die Tatsache, dass unser Dasein endlich ist, kann einem schon Angst machen. Genau deshalb hat es mich gereizt, mich filmisch mit dieser schwierigen Thematik auseinanderzusetzen. Ich habe gehofft, auf diese Weise Antworten auf meine eigenen existenziellen Fragen zu finden.

Was macht Rosemarie Achenbach zur perfekten Besetzung?

Kristina: Als hochbetagte Frau, die so viel durchgemacht hat, ist sie so etwas wie eine „Expertin fürs Leben“. Frau Achenbach hat die NS-Zeit und den Zweiten Weltkrieg miterleben müssen und einen Schlaganfall überstanden. An der Seite Ihres verstorbenen Mannes, eines evangelischen Pfarrers, hatte sie als Hausfrau und Mutter dreier Kinder ihren gesellschaftlichen Verpflichtungen nachzukommen. Sie hatte nie die Zeit und auch gar nicht die Gelegenheit, ihr Leben nach ihren eigenen Vorstellungen zu gestalten. Dass sie jetzt, eigentlich am Ende ihres Lebens, noch einmal so durchstartet und dies auch in vollen Zügen genießt, macht sie zu einem Paradebeispiel, wie ein erfülltes Leben aussehen kann.

In Eurem Film gibt es keinen Erzähler. Bis auf einige Fragen, die Kristina ihr aus dem Off stellt, ist Frau Achenbach die einzige Person, die spricht. Manchmal liest sie auch aus ihrer Doktorarbeit vor. Oftmals herrscht aber nur Stille, vieles bleibt unausgesprochen. Wusstet Ihr gleich, wie Ihr das Thema filmisch umsetzen wollt?

Caroline: Wir wollten zeigen, wie Frau Achenbach ihre Welt erlebt und haben deshalb mehr die Bilder sprechen lassen. In Rosemarie Achenbachs Haus gibt es so viel zu entdecken – viele alte Fotos, die Möbel, die noch aus der Mitte des letzten Jahrhunderts stammen, die Couch im Wohnzimmer, auf der sie sitzt, isst, schläft und schreibt. All diese Gegenstände sprechen regelrecht Bände. Und wir haben uns entschieden, sie einfach erzählen zu lassen. Vieles entsteht zwischen den Zeilen. In diesen Momenten der Stille werfen wir dem Zuschauer Fragen zu, die er sich selbst beantworten muss: Wie denke ich eigentlich über die Fragen, mit denen sich Frau Aschenbach beschäftigt? Welche Ziele habe ich im Leben? Wo ist mein Herz wirklich?

Welche Intention hattet Ihr mit Eurem Film? Was ist seine Botschaft an den Zuschauer?

Kristina: Für Rosemarie Achenbach ist der Tod eine Notwendigkeit, damit der Mensch seinem Leben einen Sinn gibt. Sie hat keine Angst zu sterben, weil sie ihr Leben aktiv in die Hand nimmt. Obwohl oder vielleicht gerade weil ihr nicht mehr viel Zeit bleibt. Wie sagt sie im Film so schön: „Der Sinn des Lebens besteht darin, seine Sache durchzuziehen. “Für sie ist das Leben an sich ein einziges Wunder und sie ist dankbar, hier sein zu dürfen. Der Film will sagen, dass wir keine Angst vor dem Tod zu haben brauchen, wenn es uns gelingt, jeden einzelnen Tag unseres Lebens zu nutzen. Er zeigt, dass wir jeden Moment damit beginnen können, unsere Träume zu verwirklichen. Es ist niemals zu spät dafür. Ars Moriendi ist deshalb nicht nur ein Film über den Tod, sondern vielmehr über das Leben.

Was hat Euch persönlich an Frau Achenbach imponiert?

Caroline: Ihre extrem starke Persönlichkeit. Sie ist vollkommen mit sich im Reinen. Das bewundere ich zutiefst.

Kristina: Das geht mir genauso. Und was ich noch toll an Frau Achenbach finde: Aus ihr sprudelt die pure Lebensfreude, obwohl sie sehr viel durchgemacht hat.

Was hat der Film mit Euch gemacht? Denkt Ihr selbst jetzt anders über das Leben und den Tod nach?

Caroline: Definitiv. Ich habe heute eine andere Sicht auf die Dinge. Wenn ich Entscheidungen treffen muss, frage ich mich jetzt immer auch, was mir wirklich wichtig ist. Worum es im Leben wirklich geht.

Kristina: Ich habe aus den Dreharbeiten mitgenommen, dass man seinen eigenen Weg gehen muss, um im Leben glücklich zu werden. Es geht darum „seine Sache durchzuziehen“, wie Frau Achenbach sagte. Und die Arbeit mit ihr hat mir auch die Angst vorm Altwerden genommen.

Wo kann man Euren Film sehen?

Caroline: Im Herbst wird „Ars Moriendi oder Die Kunst des Lebens“ auf verschiedenen Filmfestivals zu sehen sein. Die Termine stehen auf unserer Facebook-Seite. Man kann ihn aber auch auf DVD direkt bei uns beziehen.

Vielen Dank für das interessante Interview und weiterhin viel Erfolg.

Interesse am Film?

Das Interview hat Ihr Interesse an dem preisgekrönten 30-Minüter geweckt? „Ars Moriendi oder Die Kunst des Lebens“ gibt es auch auf DVD. Hierzu schreiben Sie einfach eine E-Mail an info@ars-moriendi.eu

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