Gerade in der dunklen Herbst- und Winterzeit sind sie ein vertrauter Anblick: Hunderte Grablichter, die auf den Friedhöfen der Dörfer, Groß- und Kleinstädte die zahlreichen Gräber schmücken. Doch der Brauch, am Grab der Verstorbenen ein Licht anzuzünden, beschränkt sich nicht auf ein, zwei Jahreszeiten: Auch im Frühling und Sommer können Besucher viele der meist roten Grablichter entdecken, die auf Grabsteinen oder Blumenbeeten achtsam aufgestellt wurden.
Kerzen am Totensonntag: Eine alte Tradition
Aber woher kommt Bräuche wie Kerzen aufstellen oder Trauersprüche weitergeben denn eigentlich? Die Ursprünge dieser Tradition liegen zum einen in der Trauerkultur und wie wir Menschen mit dem Tod einer nahestehenden Person umzugehen versuchen: In vielen Kulturkreisen steht das Licht für Hoffnung, Neuanfang und Mut – ein solches Licht am Grab eines Verstorbenen zu entzünden, empfinden viele Menschen als trost-spendende Geste. Sie gibt Betroffenen das Gefühl, mit dem Verstorbenen auf einer spirituellen Ebene noch einmal in Kontakt treten zu können.
Diese Beobachtungen der menschlichen Trauerkultur legen den Schluss nahe, dass schon immer Angehörige ihre Grablichter an den Gräbern der Verstorbenen entzündet haben. Tatsächlich finden wir Spuren dieser Tradition in fast allen Kulturkreisen dieser Welt – von der Antike bis in die Moderne. Doch es gibt auch einen offiziellen Startschuss für das Grablicht, zumindest im christlichen Glauben.
Im Jahr 835 legte Papst Gregor IV. das Fest Allerseelen (lat.: In Commemoratione Omnium Fidelium Defunktorium) offiziell für die Anhänger der römisch-katholischen Kirche auf den 02. November fest. Gemäß des damaligen Volksglaubens kehrten an Allerseelen die Seelen der Verstorbenen für eine Nacht aus dem Fegefeuer auf die Erde zurück. Aus diesem Grund versammelten sich Gläubige in jener Nacht an den Gräbern ihrer Verstorbenen. Sie sprenkelten Weihwasser auf die Grabsteine, um die Qualen der Toten im Fegefeuer zu lindern. Speisen wurden bereitgestellt und Grablichter angezündet, damit die Seelen den Weg zu ihrer Ruhestätte finden können.
Während diese ursprüngliche Bedeutung von Allerseelen oder Allerheiligen und den Grablichtern heute keine große Rolle mehr spielt, entzünden heute noch immer sowohl katholische, wie auch evangelische Gläubige an den Gräbern ihrer Verstorbenen Lichter – besonders häufig an Feiertagen wie Allerheiligen (katholisch) oder Totensonntag (evangelisch). So berichtet der NDR, dass auf dem Ohlsdorfer-Friedhof in Hamburg an durchschnittlichen Tagen rund 10.000 Grablichter aufgestellt sind, an besonderen Feiertagen aber bis zu 25.000.
Grablichter sind eine Umweltsünde
Derart viele Grablichter stellen Friedhofsverwaltungen überall in Deutschland seit Jahren vor eine große Herausforderung: Denn die Lichter müssen allesamt ordnungsgemäß entsorgt werden – nicht nur eine logistische Mammutaufgabe. Sie ist auch eine finanzielle, denn die Grablichter verlangen wegen ihrer Zusammensetzung häufig eine gesonderte Entsorgung.
Die klassischen Grablichter mit offener Flamme, die noch immer am häufigsten auf deutschen Friedhöfen zu finden sind, heißen offiziell „Kompositions-Öllichter“: Ihre Brennmasse besteht überwiegend oder komplett aus gehärtetem Fett oder Öl. Durch diese Zusammensetzung brennen diese Grablichter deutlich länger als normale Paraffin-Kerzen. Sie sind allerdings auch aufwändiger zu entsorgen, denn einfach auf den Friedhofskompost können diese Kerzen nicht geworfen werden — auch wegen der Verpackung der Grablichter, die meist aus Kunststoff besteht.
Doch die Umweltsünde kann noch weiter auf die Spitze getrieben werden: Immer mehr Menschen bevorzugen mittlerweile Grablichter mit batteriebetriebenen LED-Lampen, die jahrelang in Gebrauch bleiben können. Doch die moderne Grablicht-Alternative ist vielen Friedhofsverwaltungen und Umweltschützern ein Dorn im Auge. Denn neben dem Kunststoff fällt bei dieser Variante außerdem Elektroschrott an.
In den letzten Jahren hat sich das Angebot im Bereich der Grabbeleuchtung erweitert: Wo früher der Griff fast immer zum klassischen Plastiklicht mit roter Kunststoffverkleidung führte, bieten Händler heute „zero waste“-Alternativen: Grablichter in Glasbehältern oder hergestellt aus recycelten Materialien. Diese Leuchtmittel sind meist etwas teurer als das Original, schonen aber Umwelt und Mülltonne.
Obwohl vor allem die klassischen Grablichter heute als Umweltsünde gelten und sogar viele Friedhofsregeln mittlerweile Besucher dazu anhalten, die Leuchtkörper gar nicht erst aufzustellen, wird diese Tradition wohl so schnell nicht von Friedhöfen verschwinden. Zu stark und wirkmächtig scheint bis heute das Licht in der Dunkelheit als Symbol zu sein, das Angehörigen am Grab ihrer Verstorbenen Hoffnung, Trost und Frieden spenden kann.
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