Noch nie wurde in Deutschland so viel Vermögen vererbt. Eine große Summe von Geld und Vermögen – also auch Immobilien, Aktien und mehr – wechseln den Eigentümer. Es macht also Sinn, sich rechtzeitig zu informieren, welche Form der Vermögensübergabe zwischen Erblasser und Erben die optimale ist. Lieber vererben oder doch verschenken? Wir wollen es genauer wissen und haben mit der Expertin Heike Minks, Geschäftsführerin der HA Berliner Nachfolgeplanung GmbH gesprochen.
Frau Minks, wie kann man am besten herausfinden, ob man lieber noch zu Lebzeiten Schenkungen veranlasst oder doch eher vererbt?
Ob man besser vererbt oder verschenkt, hat ganz unterschiedliche Beweggründe. Bei vielen steht an erster Stelle, Steuern zu sparen. Oder es soll verhindert werden, dass Streit innerhalb der Familie entsteht, indem man möglichst früh und unstrittig regelt, wer was erben soll. Da es auch unliebsame Familienmitglieder gibt, kann es für manchen Erblasser wichtig sein, das Erbe schon
vor dem Tod zu schmälern, damit so das Nachlassvermögen gemindert wird und nur ein geringer Pflichtteil verteilt werden muss. Oft ist es aber vor allem wichtig, die Altersvorsorge oder Lebensrisiken des Erblassers zu sichern. Jeder Beweggrund ist so individuell wie der Lebensweg eines Menschen. Es ist nicht immer einfach, eine Lösung zu finden, die allen Wünschen entspricht.
Worin besteht genau der Unterschied zwischen vererben und verschenken?
Verschenken kann man nur zu Lebzeiten. Man darf jeden beschenken, jedoch nur bis zu einer gewissen Höhe, wenn die Schenkungsteuer berücksichtigt werden soll. Vererben kann man jedoch nur im Todesfall. Für beide Formen der Überlassung gibt es Regeln. Durch ein Testament oder einen Erbvertrag kann jeder bestimmen, wer im Falle seines Ablebens seine Besitztümer erbt. Diese individuelle letztwillige Verfügung hat Vorrang vor der gesetzlichen Erbfolge, die im Bürgerlichen Gesetzbuch geregelt ist.
Wie schaut denn bei uns die Erbfolge aus?
Die gesetzliche Erbfolge sieht vor, dass neben dem überlebenden Ehegatten oder Ehegattin – beziehungsweise dem eingetragenen Lebenspartner – die leiblichen Kinder und Adoptivkinder, ersatzweise deren Abkömmlinge, erben. Dies ist vom Güterstand abhängig. Sind keine Kinder vorhanden, teilt sich der Ehegatte das Erbe mit den Eltern des Verstorbenen beziehungsweise deren Kinder und so weiter. Sollten diese Personen durch ein Testament oder einen Erbvertrag enterbt worden sein, steht ihnen im Falle des Todes des Erblassenden lediglich ein Pflichtteilsanspruch zu.
Und was ist bei einer Schenkung zu bedenken?
Wer einen Teil des Vermögens schon zu Lebzeiten an die Kinder verschenken möchte, muss aufpassen. Sollen dem Nachwuchs größere Summen zukommen, hat auch das Finanzamt ein berechtigtes Interesse. Unerheblich sind kleinere Summen, doch bei höheren Geldbeträgen sind – wie bei der Erbschaftssteuer auch – Freibeträge zu berücksichtigen. Diese sind abhängig vom Verwandtschaftsgrad und der Höhe der Schenkungssumme.
Was sind denn BESONDERS KRITISCHE Konstellationen?
Wenn ein Minderjähriger unter den Erben oder gar Alleinerbe ist, sollte man gut vorsorgen. Hier sind eine Sorgerechtsverfügung und ein Testament dringend zu empfehlen. Vererben und Verschenken an den Ehegatten ist bei Überschreitung des Steuerfreibetrages schwierig, da steuerpflichtig. Hiervon ausgenommen sind lediglich das Familienheim (Familienheim-Schaukel) sowie der gemeinsame Hausrat. Eine Möglichkeit, Vermögen steuerfrei zu übertragen, bietet die sogenannte Güterstandsschaukel. Ebenso sind Schenkungen unter Ehegatten ungeeignet, wenn diese Pflichtteilsansprüche reduzieren beziehungsweise vermeiden möchten.
Kann man auch ein Eigenheim verschenken, obwohl man darin wohnen bleiben möchte?
Ja, das nenne ich Schenken mit „Sicherheitsschloss“. Man räumt ein lebenslanges Nießbrauchs– oder Wohnrecht für den Partner ein. Entweder als Schenkung zu Lebzeiten, oder als Nachlass im Rahmen des Testaments. Das ist insofern eine kluge Lösung, als dass die erbenden Kinder den Partner nicht einfach aus dem Haus vertreiben können. Und in vielen Fällen lässt sich dadurch Erbschaftsteuer sparen.
Und es gibt keinen Haken beim verschenken von Immobilien?
Naja, trotz des Nießbrauchs- oder Wohnrechts, welches im Grundbuch vermerkt ist, kann sich der Schenker zum Beispiel vor einem ungewollten Verkauf der Immobilie nicht schützen: Ein Wohnrecht oder ein Nießbrauch schließt rechtlich einen Weiterverkauf nicht aus. Auch vor dem Zugriff einer Bank ist man nicht sicher, falls der Eigentümer die Immobilie belastet und in eine Insolvenz gerät. Für diese beispielhaften Fälle hat die Vertragspraxis das Hilfsmittel des bedingten Rückübertragungsanspruchs entwickelt. Dieser Anspruch kann durch eine Vormerkung im Grundbuch abgesichert werden. Kein Käufer kann sich dann mehr darauf berufen, er habe nichts davon gewusst. So ist der Schenker davor geschützt, dass zu seinen Lebzeiten und gegen seinen Willen das Haus in fremde Hände gelangt.
Was muss man beachten, wenn man auch Schwiegerkinder bedenken möchte?
Wollen die Eltern nicht nur den Kindern, sondern auch den Schwiegerkindern etwas zukommen lassen, stehen die Schwiegerkinder je nach Umfang der Schenkung vor dem Problem der niedrigen Freibeträge. Das Problem kann man dadurch lösen, dass beispielsweise ein Elternteil die Schenkung zunächst an sein Kind und das Kind danach an seinen Ehegatten leistet. Der Freibetrag liegt für Kinder hier bei 400.000 Euro, für Ehegatten 100.000 Euro höher. Das nennt man Kettenschenkung. Das Kind darf sich allerdings im Rahmen der Schenkung durch den Elternteil nicht zur Weiterschenkung an seinen Ehegatten verpflichten und muss seine Entscheidungsfreiheit behalten. Andernfalls nimmt das Finanzamt eine Schenkung vom Elternteil an das Schwiegerkind mit dem geringen Freibetrag von 20.000 Euro an.
Kann man auch Lebensversicherungen vererben?
In Zeiten großer Verunsicherung über die Zukunft der sozialen Sicherungssysteme gewinnt die private Vorsorge immer größere Bedeutung. Dies ist Anlass genug, über die erbrechtlichen Auswirkungen von Lebensversicherungen aufzuklären, da statistisch gesehen fast jeder Einwohner Deutschlands von diesem Thema betroffen ist. Grundsätzlich gilt auch hier, dass sich vielfältige Chancen und Möglichkeiten zu einer sinnvollen und steueroptimierten Nachfolgeplanung und -gestaltung bieten. Doch lauern auch hier natürlich Risiken, die es zu minimieren gilt. Fokus hierbei sind die unterschiedlichen Rollenverteilungen: Versicherungsnehmer, versicherte Person bezugsberechtigte Person und Beitragszahler. Das bedeutet, dass bei einer optimalen Gestaltung, bei der eine Person die versicherte Person und die andere Person Versicherungsnehmer, Beitragszahler und bezugsberechtigte Person ist, die Versicherungsleistung weder in die Erbmasse fließt, noch pflichtteilsrelevant ist und zudem keinerlei erbschaftsteuerliche Bedeutung hat.
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