Das Thema Sterbebegleitung ist nach wie vor mit vielen Klischees versehen. Etwa das, einer ganz alten Person, bei der ein Sterbebegleiter in düsterer Atmosphäre am Bett sitzt. Doch dieses Bild entspricht nicht der Realität. Die Sterbebegleitung ist vielfältig und bedeutet nicht nur, dem Sterbenden die letzten Wochen und Monate zu erleichtern, sondern auch, ihm noch die kleinen letzten Wünsche zu erfüllen. Das gilt sowohl für stationäre als auch für ambulante Hospiz-Leistungen. Bei letzterem kommt die Sterbebegleiterin oder. der Sterbebegleiter regelmäßig zu den Patienten nach Hause oder ins Heim. Monika Hofmeister, hauptamtliche Sterbebegleiterin und Koordinatorin beim Hospizverein Düsseldorf Nord e. V., gibt in einem Interview Einblicke in die ambulante Hospizarbeit.
Frau Hofmeister, wie kommen Sie mit den Sterbenden in Kontakt und wie gehen Sie dann vor?
Monika Hofmeister: In der Regel kommen Angehörige, Ärzte und Kliniken zunächst auf uns zu, immer häufiger geht der Kontakt aber auch vom Sterbenden selbst aus. Ich besuche die Patienten dann zu Hause oder im Heim und stelle so den Erstkontakt her. Wir überlegen, in welchen Lebensbereichen Unterstützung gebraucht wird und fragen nach Hobbies und der Lebensweise. Braucht der Patient vor allem Hilfe beim Einkaufen oder will er einfach in Gesellschaft einen Kaffee trinken und sich unterhalten? Wichtig hierbei ist, das Angebot zunächst niedrigschwellig zu halten und bei Bedarf anzupassen.
Je nachdem, wie es dem Patienten körperlich geht, kann das Erstgespräch aber auch in unseren Räumlichkeiten zusammen mit den Angehörigen stattfinden. Die veränderte Atmosphäre und Umgebung beeinflusst in solchen Fällen oft auch den Blick auf das Thema.
Wie ist die Beziehung zwischen den Patienten und den ehrenamtlichen Begleitern?
Monika Hofmeister: Wir achten darauf, dass wir einen möglichst passende Sterbebegleiter für den Patienten finden, indem wir schauen, ob es Parallelen wie beispielsweise gemeinsame Hobbies oder Weltanschauungen gibt. Natürlich ist es dennoch wichtig, dass der Begleiter oder die Begleiterin Fingerspitzengefühl mitbringt. Das wird auch in der Ausbildung zum Sterbebegleiter vermittelt. Das Thema Tod und Sterben sollte in jedem Fall nur vom Patienten angeschnitten werden. Teilweise übertreffen die Zukunftspläne des Patienten die Todesthematik. Einige planen eine Reise nach Amerika, andere gehen teure Kleider einkaufen. Hierauf muss man als Sterbebegleiterin eingehen können.
Dann wieder ist es aber auch so, dass Patienten ihre Ängste oder auch Wünsche nicht direkt ausdrücken. Sie sprechen in Bildern oder Verklausulierungen, die der Begleiter verstehen muss. Wenn die Patienten spüren, dass sie verstanden werden, wächst dann auch Vertrauen.
Wer sind Ihre Patienten?
Monika Hofmeister: Überwiegend begleiten wir Krebspatienten, wobei das Alter ganz unterschiedlich ist. Es gibt weitaus mehr jüngere, als man gemeinhin annimmt. Auch alle Berufsgruppen kommen vor.
In wie weit spielen die Angehörigen eine Rolle? Wie werden sie eingebunden?
Monika Hofmeister: Oftmals geht es darum, zwischen den Patienten und den Angehörigen zu vermitteln. Über den Tod zu sprechen ist für beide Parteien schwierig. Manchmal können sie auch nicht einschätzen, wie der jeweils andere die Lage sieht. Sich ineinander hineinzuversetzen fällt schwer. Beispielsweise wird der Patient wütend, weil das Leben der anderen weiter geht und sein eigenes nicht. Das ist besonders dann spürbar, wenn er mitbekommt, dass die Angehörigen Pläne für die Zukunft machen. Eine unserer Aufgaben ist es dann, der Familie die Gefühlslage des Sterbenden näherzubringen.
Wie gehen die Patienten mit dem nahenden Tod um? Akzeptieren oder verdrängen sie ihn?
Monika Hofmeister: Die meisten wollen nicht sterben. Auch dann nicht, wenn sie sehr krank sind. Manche haben natürlich auch so schlimme Symptome, dass sie den Tod herbeisehnen. Zukunftspläne und Akzeptanz des Tods wechseln sich aber bei vielen ab, was verwirrend für Angehörige sein kann. Auf der einen Seite wissen die Patienten natürlich, dass sie sterben müssen, auf der anderen verdrängen sie es.
In wie fern spielt Spiritualität heute noch eine Rolle? Hilft den Patienten der Glaube an ein Leben nach dem Tod?
Monika Hofmeister: In vielen Fällen überwiegen die körperlichen Schmerzen und Symptome so sehr, dass kaum Platz bleibt für Spiritualität. Über ein Leben nach dem Tod sprechen wenige, auch spirituelle Kontakte werden wenig angefragt, die wir bei Bedarf vermitteln. In der Regel ist es aber so, dass die Patienten die Überzeugung beibehalten, die sie schon ihr ganzes Leben lang hatten. Die, die glauben, tun es weiterhin und die, die immer davon überzeugt waren, dass es nach dem Tod nichts mehr gibt, ändern ihre Meinung auch dann nicht, wenn sie mit dem Tod konfrontiert sind. Wir versuchen auch hier, einen entsprechenden ehrenamtlichen Begleiter zu finden, der den Glauben oder Nichtglauben teilt.
Aus welcher Motivation lassen sich Menschen zu Sterbebegleitern ausbilden?
Monika Hofmeister: Da gibt es zwei Hauptaspekte. Zum einen haben die Menschen etwas Gutes erlebt und wollen es zurückgeben. Das betrifft vor allem auch ihre Sterbeerfahrung mit Angehörigen. Auch eine negative Erfahrung kann motivierend sein und den Wunsch erwecken, es besser machen zu wollen. Zum anderen beschäftigt das Thema die Sterbebegleiter aus unterschiedlichen Gründen. Tod und Sterben lässt sie nicht los, sie haben eine von innen kommende Motivation und das muss auch so sein. Damit meine ich allerdings nicht esoterisch orientierte Menschen, für die der Tod der Gipfel der Existenz ist, den es zu erkunden gilt, oder das Größte im Leben. Sterbebegleitung ist eine praktische, menschennahe Arbeit, es werden nicht laufend tiefgründige Gespräche geführt und eine Idealisierung des Todes sollte man von sterbenskranken Menschen gar nicht erwarten.
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