Am 16. und 17. September 2017 ist Tag des Friedhofs. Er steht bundesweit unter dem Motto „Raum für Erinnerung“. Inzwischen finden Trauernde aber nicht mehr nur auf dem Friedhof, sondern auch im Netz einen geschützten Rahmen, um sich von ihren Verstorbenen zu verabschieden und um ihrer zu gedenken. Grund genug, einen Blick auf neue Formen und Orte des Trauerns und Erinnerns zu werfen.

Der Friedhof als Ort des Miteinanders und des Gedenkens

Friedhöfe gelten als Orte der Begegnung, der Stille, der Trauer und des Gedenkens, aber auch der Erholung und des Naturerlebens. Der Bund deutscher Friedhofsgärtner nimmt jedes Jahr den Tag des Friedhofs zum Anlass, an diese Funktionen von Friedhöfen zu erinnern. Hintergrund der Aktion sei, „dass ältere Generationen und auch deren Kinder und Enkelkinder den Friedhof als schöne Begräbnis- und Erinnerungsstätte kennenlernen, wahrnehmen und besuchen.“

Der Grundgedanke ist schön, aber es stellt sich die Frage: Können Friedhöfe diese Funktionen heutzutage noch erfüllen? Tatsächlich nicht immer. Enkelkinder leben häufig hunderte Kilometer entfernt von ihren Großeltern oder Eltern in ganz anderen Städten als ihre Kinder. Auch enge Freunde können, über den ganzen Erdball oder das Land verstreut leben. Da wird es schwierig, miteinander auf dem Friedhof Natur zu erleben, ein Grab zu besuchen und dort zu gedenken. Und oft wird ein Grab nicht mehr von Familienangehörigen, sondern von einem beauftragten Gärtner gepflegt.

Ein digitaler Raum für Erinnerung

Hat gemeinsames Erinnern deswegen ausgedient? Sicher nicht. Die digitalen Medien können dabei helfen, die räumliche Entfernung zwischen Familienmitgliedern und Freunden zu überbrücken und unsere Trauerkultur um neue Rituale zu ergänzen. Das Netz kann einen Friedhof zwar nicht eins zu eins ersetzen. Gemeinsames Naturerleben, Blumen pflanzen, “echte” Kerzen anzünden, Eichhörnchen und Vögel beobachten, auf einer Bank sitzen und dabei Sonne und Wind spüren – das wird im digitalen Raum schwierig. Aber durch das Internet entstehen neue Räume, in denen man sich ortsunabhängig treffen und austauschen kann. Warum diesen Raum also nicht auch nutzen, um sich gemeinsam mit anderen Hinterbliebenen an Verstorbene zu erinnern und ihrer zu gedenken?

Ideen für eine virtuelle Gedenkfeier

Natürlich braucht auch ein virtuelles Gedenktreffen einen Rahmen. Genau wie ein Friedhofsspaziergang muss eine Online-Gedenkfeier organisiert werden. Der Kreativität, wie ein solches Treffen konkret aussehen könnte, sind dabei aber keine Grenzen gesetzt. Hier ein paar Ideen:

Videokonferenz zum Gedenktag: Haben zum Beispiel alle, die dabei sein möchten, zum selben Zeitpunkt Zeit, können sie sich zu einer Videokonferenzschaltung verabreden. Man vereinbart ein Datum, vielleicht einen Jahrestag oder einen bestimmten Tag im Monat. Jeder macht es sich zu Hause gemütlich, jeder an seinem Ort. Man trifft sich via Skype, Vimeo, Google Hangout oder einen anderen Dienst. Trauen sich die Großeltern den Umgang mit der Technik nicht zu, kann jemand aus der Nachbarschaft oder ein in der Nähe wohnendes Familienmitglied bei der Einrichtung helfen. Hierdurch werden virtueller und analoger Raum auf neue Weise verzahnt.

Zum Treffen bringt jeder ein Foto des Verstorbenen mit, das er besonders mag und zeigt es den anderen über den geteilten Bildschirm. Vielleicht hat auch jemand ein aktuelles Bild vom Grab dabei und zeigt den anderen, wie es auf dem Friedhof gerade aussieht. Man kommt ins Erzählen, erinnert sich gemeinsam an den verstorbenen Menschen, kommt vielleicht der Familiengeschichte auf die Spur. Auf diese Reise lassen sich auch Familienmitglieder mitnehmen, die vielleicht bei einem „echten“ Friedhofsspaziergang gar nicht mit dabei gewesen wären; nicht nur wegen der geografischen Entfernung, sondern möglicherweise auch wegen ihres Gesundheitszustands.

 

Gemeinsame Pflege einer persönlichen Gedenkseite: Will man sich in einer größeren Gruppe gemeinsam erinnern und findet nur selten einen passenden Termin, kann man einen dauerhaften Erinnerungsort im Netz schaffen. Dieser Ort wird miteinander geteilt – jeder kann ihn aufsuchen, wenn er Zeit und das Bedürfnis hat, des Verstorbenen zu gedenken. Das bekannteste Beispiel solcher Erinnerungsorte ist die Gedenkseite.

Das kann einerseits eine Profilseite auf einem der zahlreichen Gedenkseitenportale oder virtuellen Friedhöfe sein, ein Gedenkprofil in einem sozialen Netzwerk, aber auch eine selbst aufgesetzte Website. Den Link zur Seite bekommt jeder, der den virtuellen Erinnerungsort besuchen können soll. Jeder kann vorbeischauen, wenn er gerade Zeit hat und zum Beispiel einen Gruß hinterlassen, eine virtuelle Kerze anzünden oder seine Gedanken festhalten möchte. Besucht ein anderer Hinterbliebener die Seite am nächsten Tag, kann er wie an einem analogen Grab entdecken, was sich verändert hat.

Und so, wie es guttun kann, gemeinsam ein Grab zu pflegen, kann es auch guttun, gemeinsam eine Gedenkseite zu pflegen. Statt mit Gartengerät, Kieselsteinen und frischen Blumen, trifft man sich virtuell mit neuen Fotos, Grafiken und Texten, um die Seite zu überarbeiten.

Das öffentliche digitale Erinnerungsalbum: Im Gegensatz zur Gedenkseite dient ein Erinnerungsalbum weniger dem direkten Austausch. Hier geht es eher darum, einen Ort zu schaffen, an dem das Leben und gegebenenfalls das Werk des Verstorbenen geehrt wird. Gerade bei Personen des öffentlichen Lebens wie Prominente, Künstler oder Schriftsteller ist diese Form häufig. Aber das Internet bietet genug Raum für jeden Trauerfall, weshalb sich diese Form auch im privaten Bereich durchsetzt.

Die Erstellung einer solchen Seite beginnt mit der Materialsammlung: Welche Bilder, Videos und andere Medien liegen vor? Welche Lebensbereiche, Leistungen, Hobbies, Ehrenämter sollen besonders beleuchtet werden? Hierbei können alle Hinterbliebenen einbezogen werden. Am Ende steht ein Album, das Trost spendet und das Leben des Toten rückblickend würdigt.

Ausblick auf die Virtualisierung des Friedhofs

Digitales und analoges Trauern wird in der Zukunft stärker Hand in Hand gehen. Der analoge Friedhof der Zukunft wird vermutlich stärker digital vernetzt sein. Eine erste zaghafte Form stellen QR-Codes als Verknüpfung zwischen Grabstein und Web dar, aber hier hört es nicht auf: Augmented-Reality-Apps, GPS zur Ortung von Friedwald-Plätzen, Virtual-Reality-Spaziergänge für Gehbehinderte oder entfernte Verwandte lassen digitale und „reale“ Friedhöfe zusammenwachsen.

Natürlich wird nichts den echten Friedhofsbesuch ersetzen. Im Gegenteil dienen digitale Technologien dazu, den Friedhof umfassender erfahrbar zu machen und den stetig bedeutsamer werdenden digitalen Lebensbereich hier zu verankern. Nur gemeinsam schaffen es virtuelle und analoge Räume, die Trauerkultur unserer Zeit zu beherbergen.

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