Menschen, die sich schon einmal an der Schwelle zwischen Leben und Tod befanden, berichten nach einem solchen Ereignis nicht selten von einer sogenannten Nahtoderfahrung. Dabei handelt es sich um Erfahrungen, die meistens einen sehr persönlichen Bezug haben. Typische Erfahrungen sind beispielsweise das klassische Licht am Ende eines Tunnels, Treffen mit bereits verstorbenen Angehörigen oder das Gefühl, sich vom eigenen Körper loszulösen. Wie aber genau kann eine solche Nahtoderfahrung aussehen? Und was hat es damit nun tatsächlich auf sich? Hier findest du verschiedene Berichte aus unterschiedlichen Blickwinkeln.
Nahtoderfahrung: Die wichtigsten Fragen im Überblick
- Was ist eine Nahtoderfahrung?
- Nahtoderfahrung – Beispiele
- Warum werden Nahtoderfahrungen häufig romantisiert?
- Therapie und spirituelle Unterstützung
Nahtoderfahrung – Beispiele
Es ist fast zu spät, als sich die 14-jährige Mira dazu entschied, ihr Leben doch nicht beenden zu wollen: Sie steht im Kinderzimmer im ersten Stock ihres Elternhauses und das Blut tropft noch warm aus ihren Pulsadern. Ein schlechter Freundeskreis und Drogenkonsum hat sie zu dieser Tat getrieben. Während sie mehr und mehr Blut verliert, beginnt sie, ihre Entscheidung zu bereuen; sie ruft mit ihrem Telefon die Eltern im Wohnzimmer an — zu diesem Zeitpunkt ist Mira bereits zu schwach, um selbst noch die Treppen hinunterzusteigen.
Die heute 25-jährige Studentin erinnert sich nach alldem erst wieder an die Fahrt ins Krankenhaus, bei der ihr bis heute einige Details seltsam vorkommen: „Ich habe im Krankenwagen Dinge erlebt, die eigentlich gar nicht möglich gewesen sein sollten. Ich war zum Beispiel fest davon überzeugt, dass drei Sanitäter bei mir waren, obwohl es nachweislich nur zwei waren. Außerdem erinnere ich mich an einen Geruch, den ich die ganze Zeit in der Nase hatte: Das Parfum meiner Oma, die zu diesem Zeitpunkt schon zwei Jahre tot war.“ Der Geruch begleitet sie über die gesamte Fahrt und als Mira im Krankenhaus nach einer kurzen Ohnmacht wieder zu Bewusstsein kommt, glaubt sie für einen langen Moment, dass ihre Oma bei ihr am Bett sitzt und tröstend auf sie herunterblickt.
Was ist eine Nahtoderfahrung?
Was Mira erlebt hat, nennt sich “Nahtoderfahrung”: Etwa 3,3 Millionen Deutsche können von einer solchen Geschichte berichten, in der sie sich in Lebensgefahr befunden haben und in diesen kritischen Momenten außergewöhnliche Dinge durchstanden haben. Für die meisten Betroffenen sind es prägende Ereignisse, die sie ihr Leben lang nicht mehr loslassen und häufig ihre Vorstellung von Sterblichkeit verändern können. Auch Mira denkt heute anders über den Tod, wenn sie sich an ihre Nahtoderfahrung zurückerinnert: „Ich hatte und habe zwar noch immer eine ganz normale Angst vor dem Sterben, aber meine Sicht auf das Danach hat sich verändert: Ich glaube, dass Menschen nicht völlig verschwinden, dass irgendetwas bleibt — und sei es nur im Kopf der Angehörigen und Freunde.“ Diese Vorstellung ist für die Studentin tröstend, wenn sie selbst mit Todesfällen konfrontiert wird. In extremen Stresssituationen oder Momenten höchster Unruhe kann Mira sogar immer noch das Parfum ihrer Oma riechen: „Das hat mittlerweile für mich was total Tröstliches und auch etwas Spirituelles im weitesten Sinne, weil ich dann das Gefühl von Nähe und Geborgenheit verspüre.“ Unter diesem Beitrag sind 210 Trauersprüche zu finden, die Inspiration für Beileidskarten bieten.
Nahtoderfahrungen werden häufig romantisiert
Aber nicht alle Menschen mit Nahtoderfahrungen können aus ihren Erlebnissen so viel Positives ziehen, wie es Mira gelungen ist. Christine Brekenfeld ist Heilpraktikerin für Psychotherapie und hat täglich mit Menschen zu tun, die am Rande des Todes standen und das Erlebte auch nach Jahren nicht verarbeitet haben.
Häufig sei dafür die Romantisierung der Nahtoderfahrungen verantwortlich, die vor allem in den Medien häufig betrieben werde und sich mit den tatsächlichen Erfahrungen der Betroffenen beißt: „In der Literatur und in den Berichten von Nahtoderfahrungen stehen oft das außergewöhnliche Erleben und die positiven Veränderungen nach einer Nahtoderfahrung im Vordergrund. Manchmal in einer so beschönigenden Form, dass ich sie als unangebracht und verklärend empfinde. Die Erfahrung selbst ist nur eine Seite der Medaille.“ So habe das Ereignis, das die Nahtoderfahrungen ausgelöst hat, in vielen Fällen gravierende Folgen für die psychische Gesundheit und könne sogar traumatisch wirken. Deswegen sei es hier besonders wichtig, mit anderen Menschen über das Erlebnis zu sprechen und über eine Therapie nachzudenken.
Auch Mira konnte Jahre später durch eine Therapie beim Verarbeiten geholfen werden, nachdem sie sich als Kind im Krankenhaus mit ihren Sorgen und Ängsten alleine fühlte: „Rückblickend würde ich mir wünschen, dass ich damals besser aufgefangen worden wäre. Noch im Krankenhaus hatte ich das Gefühl, das ist ein Tabuthema, weil mir kein Arzt Gesprächsbereitschaft signalisiert hatte. Dabei war ich so verunsichert und wusste nicht, was wirklich real war.“ Zumindest die Gespräche mit ihrer Mutter halfen Mira dabei, ihre Nahtoderfahrung zu bewältigen: „Es war für meine Mama tröstend zu erfahren, dass ich in diesen Momenten das Parfum meiner Oma gerochen hatte. Nach diesem Gespräch hatten wir beide das schöne Gefühl, dass dort draußen jemand ist, der auf uns aufpasst.“
Therapie und spirituelle Unterstützung müssen sich nicht ausschließen
Obwohl Mira laut eigener Aussage nicht religiös ist, hat ihre Nahtoderfahrung doch einen spirituellen Fußabdruck hinterlassen: Sie denkt anders über Leben und Tod und hat das Gefühl, dass ihre Oma noch immer an ihrer Seite ist. Laut Christine Brekenfeld geht es sehr vielen Menschen in diesen Situationen so, weswegen sich die Heilpraktikerin auch viel mit der Spiritualität ihrer Patienten auseinandersetzt: „Aus meiner Sicht ist es durch die Vielschichtigkeit einer Nahtoderfahrung unerlässlich, sich sowohl mit den spirituellen Aspekten der Erfahrung, den auf den Körper wirkenden traumatischen Erfahrungen als auch den Aspekten der Persönlichkeitsentwicklung zu beschäftigen. Von daher habe ich in meiner nun fast achtjährigen Begleitung Nahtoderfahrender sehr gute Erfahrungen mit der Verbindung von Psychotherapie und spiritueller Arbeit gemacht.“
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Mehr InformationenNahtoderfahrung – ein weiteres Beispiel
Wie fundamental nämlich ein solches Ereignis das eigene Lebensgefühl in spiritueller Hinsicht verändern kann, erzählt der 30-jährige Student Stephan. Als er noch zur Grundschule ging, trieben ihn die Wellen während eines Badeausflugs mit seiner Familie weit auf das Meer hinaus. Es begann ein Überlebenskampf, den Stephan bereits zu verlieren geglaubt hatte. Dort draußen im kalten Salzwasser akzeptierte er den Tod, der unabwendbar geworden zu sein schien, während sein Körper taub vor Muskelschmerzen wurde. Noch sehr gut erinnert er sich an seine letzten Gedanken, bevor er das Bewusstsein verlor: „Ich war überrascht davon, dass dieser berühmte „Film“ vor den Augen nicht von alleine ablief, wie ich es aus dem Fernsehen kannte. Also habe ich mir selber diesen Film zusammengestellt und an Dinge gedacht, die mich glücklich gemacht haben, um mich zu beruhigen.“
Glücklicherweise konnte Stephan aber gerettet werden: Sein Vater, ein erfahrener Profi-Schwimmer, bemerkte die Notsituation seines Sohnes und holte das Kind in letzter Sekunde aus dem Wasser. Als Stephan am Strand wieder langsam zu sich kam, spürte er eine unerklärliche Gereiztheit: „Ich war fast wütend, dass ich noch am Leben war, weil ich schon mit allem abgeschlossen hatte.“
Diese Gereiztheit begleitete Stephan jahrelang. Seine Familie wollte nicht über den Vorfall sprechen und seine Freunde verstanden nicht, warum er nicht glücklich darüber war, noch am Leben zu sein: „Ich hatte mit dem Tod abgeschlossen und war plötzlich wieder im Leben. Das konnte ich eine Zeit lang nicht ertragen, viele Dinge erschienen mir nun banal und ich blieb gerne für mich.“
Auch Stephan konnte erst eine Therapie dabei helfen, mit diesen Eindrücken zurechtzukommen und wieder eine lebensbejahende Sicht auf seine Umwelt zu entwickeln. Seine und Miras Geschichte zeigen, wie wichtig es für Betroffene ist, mit den eigenen Erlebnissen einer Nahtoderfahrung nicht nur bei sich zu bleiben, sondern Hilfe zu suchen. Dazu ergänzt Christine Brekenfeld: „Die Menschen sind oftmals lange auf der Suche nach einer adäquaten Begleitung. In der Unaussprechlichkeit der Erfahrung liegt aus meiner Sicht auch eine der größten Schwierigkeiten dafür, selbige gut ins Leben zu integrieren.“
Therapeuten und die Nahtoderfahrung – ohne Verständnis?
Aus Angst, von Therapeuten nicht verstanden zu werden oder wegen der verbreiteten, leider oftmals zutreffenden Befürchtung, dass diese auch nicht weiterhelfen könnten, scheuen viele Menschen die Suche nach Unterstützung, wie Brekenfeld aus eigener Erfahrung zu berichten weiß. Dabei ist gerade die therapeutische Unterstützung ein kaum zu ersetzende Meilenstein auf dem Weg, die eigene Nahtoderfahrung als wertvolles Erlebnis und nicht etwa als traumatisierende Episode in das eigene Leben zu integrieren. Nur so kann aus dem blanken Überleben schließlich auch ein glückliches Weiterleben werden.
Jede Nahtoderfahrung ist individuell
All diese Nahtoderfahrungen scheinen sehr unterschiedlich. Sei es in ihrer Form oder auch die damit verbundenen Gefühle. Daher stellen sich viele Leute zurecht die Frage, ob oder inwiefern diese Erfahrungen zeigen, was mit dem Leben nach dem Tod passiert. Somit wirft die Nahtoderfahrung weitere Theorien und Möglichkeiten auf, die sich vermutlich nur schwer beweisen lassen werden. Genauso schwierig wird es jedoch sein, die Bedeutung dieser Erfahrungen von der Hand zu weisen. Es bleibt also letztendlich jedem selbst überlassen, wie er mit diesen Erfahrungsberichten umgehen möchte.
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