Friedhöfe sind nicht nur Orte der letzten Ruhe und des Abschieds, sondern auch des Lebens – verschiedene Blumen- und Baumarten befinden sich beispielsweise dort. Entsprechend eignen sich Friedhöfe auch als Lebensräume für Insekten und Tiere. In Wien hat man daher auf verschiedenen Friedhöfen Bienenstöcke angelegt, allen voran zunächst auf dem Wiener Zentralfriedhof im Jahr 2013. Mittlerweile haben aber auch andere Friedhöfe der Stadt bei diesem Beitrag zum Bienenschutz nachgezogen und versorgen die Bevölkerung mit Honig.
Fleißig und wichtig: die Biene im Ökosystem
Bienen sind wichtig für das Ökosystem, weil sie Blüten bestäuben und daher für die Verbreitung und den Fortbestand verschiedener Wild- und Nutzpflanzen sorgen. 80 Prozent der Bestäubungen werden von den fleißigen Bienenvölkern vorgenommen, nur 20 Prozent von Hummeln, Schmetterlingen und anderen Insekten. Mit ihrer Arbeit sichern sie die Vielfalt und die Vermehrung von Nahrungsmitteln.
Allerdings haben es die Bienen mittlerweile immer schwerer. Grund sind unter anderem Pestizide, sterile Parkanlagen und Monokulturen, die es den Bienen immer unmöglicher machen, Nahrung zu finden und zu Insektensterben führen.
Die Bienen des Wiener Zentralfriedhofs
Insbesondere in Städten finden die Bienen darüber hinaus immer weniger Lebensraum vor, weswegen Friedhöfe ein idealer Lebensraum auch in urbanen Gebieten sind. Hier gibt es für die Insekten eine vielfältige Pflanzenwelt und genügend Nahrung, darüber hinaus sind auf dem Friedhof Pestizide und andere Spritzmittel verboten.
Der Naturgarten des Zentralfriedhofs in Wien wurde als Standort für die Bienenstöcke ausgewählt, weil er mit 40.000 Quadratmetern nicht nur genügend Platz bietet und die Bienen von hier aus bequem ausfliegen können, sondern es befinden sich in ihm auch große Wiesen, Sträucher und ein Biotop, darüber hinaus Wasser und Futterquellen in Form verschiedener Bäume wie Ahorn und Buche.
Dort produzieren die Bienen auch den Honig, dem die Naturbelassenheit der Umgebung ebenfalls zugute kommt und der bereits ein Jahr nach Aufstellen der Bienenstöcke geerntet werden konnte. 80 Kilogramm kamen bereits nach dem ersten Jahr zustande. Bei dem Honig handelt es sich in der Regel um einen Mischhonig aus allen möglichen Pflanzenarten, die auf dem Areal blühen und er kann im Friedhofsshop beziehungsweise im Online-Shop erworben werden.
Weitere Wiener Friedhöfe und ihre Bienen
Andere Standorte, an denen mittlerweile Bienen angesiedelt sind, sind die Friedhöfe Stammersdorf, Südwest und Hietzing. Die Bienenstöcke werden von Imkern betreut, wie beispielsweise am Stammersdorfer Zentralfriedhof, wo 60.000 Bienen leben und für den die Imkerei „Wiener Blüte“ zuständig ist. Imker Markus Bachleitner betont, dass in das Leben beziehungsweise den Lebensraum der Bienen kaum eingegriffen und alles überwiegend den Insekten überlassen wird, da deren System ausgefeilt ist und der Mensch nur in wirklich notwendigen Fällen nachhilft. Die Bienenstöcke bestehen dabei aus unbehandeltem Holz, außerdem wird genug Honig für die Bienen selbst als Nahrung zurückgelassen.
Wichtig ist auch, dass sich Bienenvolk und Friedhofsbesucher nicht in die Quere kommen, wie man am Friedhof Südwest beziehungsweise Hietzing betont. Zum einen sind die Bienen auf dem Friedhof Südwest seit 2014 auf einem großen Areal hinter Tor 8 untergebracht, wo sie von Menschen ungestört sind, zum anderen befinden sich die Hietzinger Stöcke im Areal der Gärtnerei, damit die Trauernden nicht bei ihren Grabbesuchen gestört werden. Auf dem Südwest-Friedhof sind 50.000 Bienen angesiedelt, die nach dem ersten Jahr 55 Kilogramm Friedhofshonig produziert haben.
Auch auf Friedhöfen ohne eigene Bienenstöcke und Imker können Hinterbliebene beispielsweise mit bienenfreundlichem Grabschmuck zu einem wertvollen Lebensraum für Insekten beitragen
Waldtiere werden von der Ruhe angelockt
Doch es sind nicht nur Bienen, die sich auf dem Gelände des Wiener Zentralfriedhofs wohlfühlen. Auch Waldtiere wie Rehe, Hasen und Fasanen leben dort und sind so an Menschen gewöhnt, dass sie sich häufig beobachten lassen. Manchmal kann man dort auch Steinmarder und Dachse entdecken. Auch der vom Aussterben bedrohte Feldhamster findet dort eine Heimat, genauso wie einer der größten Schmetterlingsarten Europas, das Wiener Nachtpfauenauge mit einer Flügelspannbreite von zehn Zentimetern. Auf diese Weise vereinen die Wiener Friedhöfe Tod und Leben auf sich, sie bieten für die Besucher Anlass zum In-sich-Gehen und Nachdenken.
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