Damit hat der Europäische Gerichtshof die bisherige Entscheidungspraxis des Bundesarbeitsgerichtes (BAG) revidiert. Erben haben Anspruch auf Ausgleichszahlungen für nicht genommenen Jahresurlaub des verstorbenen Erblassers. Das bezieht sich nicht nur auf den gesetzlichen Mindesturlaub von 24 Werktagen, sondern auch auf Zusatz- oder Mehrurlaub. Ein solcher Fall kann beispielsweise eintreten, wenn der Verstorbene durch eine schwere Behinderung zusätzliche Urlaubsansprüche hatte.

Arbeitsrecht und Erbrecht stimmten nicht überein

Ausgangspunkt der jüngsten Klarstellungen war unter anderem, dass das deutsche Arbeitsrecht entsprechende Ansprüche zwar bestätigte, nach deutschem Erbrecht diese Ausgleichszahlungen aber nicht Teil der Erbmasse sein konnten.

Hintergrund: Erbmasse bezeichnet den gesamten Besitz eines Erblassers zum Zeitpunkt seines Todes. Ausgenommen davon sind nur Ansprüche, die direkt an den Verstorbenen gebunden sind, wie etwa Rentenansprüche oder beispielsweise Auszahlungen einer Lebensversicherung, die an einen Begünstigten gehen.

Eindeutig war bisher nur die Lage, wenn der Anspruch einer Ausgleichszahlung für nicht genommenen Urlaub zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer noch während des laufenden Arbeitsverhältnisses festgelegt worden war.

Dazu kamen 2018 zwei Klagen von allein erbenden Ehefrauen zweier Männer, die während ihrer laufenden Arbeitsverhältnisse gestorben sind. Einer bei einem privaten Arbeitgeber, einer in einer öffentlich-rechtlichen Institution.

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Europäisches Recht geht vor

Daraufhin hatte das Bundesarbeitsgericht den Europäischen Gerichtshof um eindeutige Klärung ersucht. Der entschied nun, dass Ausgleichszahlungen für nicht genommenen Jahresurlaub an die Erben ausgezahlt werden müssen, sofern diese es verlangen. Außerdem gehören diese Zahlungen jetzt auch zur Erbmasse.

Voraussetzung ist aber ein noch offener Urlaubsanspruch, der wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zwischen Arbeitgeber und Erblasser nicht mehr genommen werden kann.

Klingt vielleicht etwas kryptisch, wird aber mit folgendem Beispiel deutlich:

Wenn ein Arbeitgeber etwa zum Ende eines Arbeitsverhältnisses dem Arbeitnehmer keine Möglichkeit lässt, Resturlaub zu nehmen, muss er diesen auszahlen.

Wenn aber ein Arbeitnehmer seinen Urlaub trotz Möglichkeit nicht nimmt und es stillschweigend auf eine Ausgleichszahlung anlegt, hat er keinen Anspruch. Das ändert sich auch nicht, wenn der Arbeitnehmer kurz nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses stirbt. Wenn das Verhältnis beendet ist, können keine neuen Ansprüche erhoben werden.

Bezahlter Urlaub ist mehr als das Recht auf Erholung

Im Fall der beiden erwähnten Ehefrauen wiesen die beklagten, ehemaligen Arbeitgeber ihrer Männer darauf hin, dass Urlaub der Erholung diene und mit dem Tod dieser Aspekt unerheblich sei. Dagegen haben die Richter in Übereinstimmung mit dem europäischen Recht (Unionsrecht) festgestellt: Sofern es sich um regulären, bezahlten Urlaub handele, käme zur Erholung auch die Komponente „Vermögen“ hinzu. Anders als die Erholung erlischt die vermögensrechtliche Komponente nicht, sondern geht auf die Erben über. Diese müssen diese Ausgleichszahlungen allerdings aktiv einfordern.

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