„Erbstreitigkeiten“ klingt fast ein bisschen banal. Streitigkeiten bekommt man in den Griff. Aber Erbstreitigkeiten haben fast immer eine lange Vorgeschichte. Gestörte Beziehungen innerhalb der Familie, manchmal Trennungen, Scheidungen oder noch viel Schlimmeres. Doch wenn dann noch ein Sterbefall hinzukommt und ein Erbe im Raum steht, können solche Verhältnisse schnell noch weiter aufbrechen. Nachfolgend werden einige der wichtigsten Ursachen für mögliche Erbstreitigkeiten sowie Möglichkeiten außergerichtlicher Einigungen beleuchtet – wenn nicht vorher schon versucht wurde, vorzubeugen.
Schlechte Kommunikation des Erblassers
Wer etwas zu vererben hat, sollte vorher mit Angehörigen darüber zu sprechen. Die sind im Zweifel genauso wenig mit dem Thema vertraut wie der Erblasser. Wenn Familienstreitigkeiten, Neid und Missgunst auf Trauer treffen, kann das schnell ausufern und in jeder Hinsicht schlimme Folgen für alle Angehörigen haben.
Der gesetzliche Pflichtteil ist nur eine Basis
Es gibt eine gesetzliche Erbfolge und es gibt einen gesetzlichen Anspruch auf einen Pflichtteil. Das bedeutet, man kann Angehörige nicht einfach nach Belieben enterben. Achtung: Nicht jeder in der Erbfolge hat auch automatisch Anspruch auf ein Erbe, also den sogenannten Pflichtteil. Je nach verwandtschaftlichem Grad gibt es vier Stufen der Erbfolge plus den Ehepartner, der einen Sonderstatus einnimmt.
Pflichtteilberechtigt sind normalerweise nur der Ehepartner sowie die Angehörigen „erster Ordnung“. Das sind Kinder, Enkel und Urenkel. Von den Angehörigen „zweiter Ordnung“ sind nur die Eltern des Verstorbenen pflichtteilberechtigt.
Alle anderen, also Neffen, Nichten, Onkel, Tanten, Cousins, Cousinen sowie deren Vor- und Nachfahren sind zwar in der Erbfolge gelistet, haben aber keine gesetzlichen Ansprüche. Damit sie in Sachen Pflichtteil nicht in Streit verfallen, nehmen Sie sich gerne diese kleine Übersicht zur Hand:
Vorangehende Schenkungen sind keine Garantie dafür, den übrig bleibenden Pflichtteil einfach so senken zu können. Hieraus können sich einklagbare Pflichtteilergänzungsansprüche ergeben.
Das Berliner Testament hat Schwächen
Diese Form des Testaments muss nicht, kann aber zu Erbstreitigkeiten führen. Das Berliner Testament als Form des letzten Willens wählen häufig Eltern und setzen sich gegenseitig als Alleinerben ein. Erst nachdem beide Elternteile verstorben sind, erben die Kinder das gesamte Vermögen – außer sie machen ihren Pflichtteil vorher geltend. Dann erhalten sie aber auch nur den. Nach dem Tod eines Ehepartners, kann der Verbliebene das Testament übrigens nicht mehr ändern, es sei denn, es wurde vorher eine Freistellungserklärung unterzeichnet. Soweit klingt es an sich eindeutig. Doch auch hier können durch spätere neue Beziehungen des verbliebenen Elternteils viele neue Situationen entstehen.
Diese Form des gemeinschaftlichen Testaments wird übrigens nicht überall auf der Welt anerkannt. Hier sollten sich im Ausland lebende Deutsche unbedingt rechtzeitig informieren.
Erbengemeinschaften von Natur aus streitanfällig
Bei streitenden Erbengemeinschaften sind häufige Immobilien im Spiel. Eine Erbengemeinschaft beschreibt nicht eine Gruppe an Erben, von denen jeder einen bestimmten Anteil am Erbe besitzt. In der Erbengemeinschaft gehört allen alles. So kann beispielsweise der Verkauf eines gemeinschaftlich geerbten Hauses nicht stattfinden, wenn auch nur einer dagegen stimmt.
Nach außen haften Erbengemeinschaften bei einer Immobilie zum Beispiel gemeinsam. Doch die Lasten und Kosten für das Verwalten der Erbschaft werden je nach Erbquote verteilt. Denn in einer Erbgemeinschaft müssen nicht alle zu gleichen Anteilen erben. Und unterschiedlich verteilte Verwaltungskosten können einzelne unter Umständen wirtschaftlich in Not bringen.
Richtig kompliziert wird es, wenn einer aus der Gemeinschaft das Erbe persönlich nutzt und beispielsweise eine Wohnung im vererbten Haus beziehen möchte. So eine Nutzung darf keinen der anderen aus der Erbengemeinschaft beeinträchtigen. Außerdem steht den anderen eine Nichtnutzungsentschädigung für diese Wohnung zu. Solche komplexen Verhältnisse führen nicht selten dazu, dass einer aus der Erbengemeinschaft seinen Anteil am Grundeigentum zu Geld machen möchte. Viele Anwälte bezeichnen dann entsprechend einsetzende Teilungsklagen als „Höhepunkt“ möglicher Erbstreitigkeiten.
Wer allein diese genannten häufigen Ursachenfelder für Erbstreitigkeiten in die Planung des eigenen Nachlasses einbezieht, spart seiner Familie unter Umständen großen und jahrelangen Ärger.
Lösungsmöglichkeiten für bestehende Erbstreitigkeiten
Es gibt juristische und kommunikationsgebundene Lösungen. Erbstreitigkeiten sind fast nie Sackgassen, in denen man nur zwischen lebenslangem Ärger oder Gerichtsverfahren, also sinnbildlich zwischen Pest oder Cholera wählen kann.
Gerade bei erwähnten Erbengemeinschaften gibt es sogar spezielle Lösungsansätze. Dazu gehört etwa auch das Umfirmieren in Personengesellschaften mit mehr wirtschaftlichen Strukturmöglichkeiten. Bei Erbgemeinschaften empfiehlt es sich für den Erblasser, einen unabhängigen Nachlassverwalter zu beauftragen. Der hat im Zweifel immer die Gefahr im Blick, dass die Erbmasse durch über Jahre ziehende Streitigkeiten möglicherweise an Wert verliert.
Bei Erbstreitereien werden juristische Fragen nicht selten überlagert von Rachedurst, Habgier, Neid und Misstrauen aber auch Trauer und Verzweiflung. Wer damit vor ein ordentliches Gericht zieht, muss dergleichen unter Umständen jahrelang aushalten können. Die größten Nachteile dabei: Gerichtsverfahren können sich ziehen. Manchmal vergehen schon Monate bis zum ersten Verhandlungstag. Sie finden in der Regel aber auch in der Öffentlichkeit statt. Das kann zusätzlich erhebliche und teilweise nicht mehr korrigierbare Belastungen für die Erben mit sich bringen. Und letztlich gibt es nach Gerichtsverfahren normalerweise immer Gewinner und Verlierer. Das ist keine gute Voraussetzung, um persönliche Kluften in Familien hinterher wieder zu schließen. Oft empfehlen sich dann außergerichtliche Einigungsverfahren.
Schlichtungsverfahren
Ein Schlichtungsverfahren kann von den streitenden Parteien für alle bekannten Rechtsbereiche genutzt werden. Dazu bestimmen beide einen neutralen Schlichter, der gar nicht unbedingt ein Jurist sein muss. Dieser hört sich zunächst beide Seiten an und unterbreitet dann einen Lösungsvorschlag. Erfahrungen zeigen, dass dieser Lösungsvorschlag oftmals gar keine endgültigen Vereinbarungen beinhalten muss, sondern beide Seiten überhaupt erst einmal wieder in den Dialog bringt.
Mediator
Mediatorenrunden folgen einem ähnlichen Prinzip. Die streitenden Parteien treffen sich mit einem Mediator – nicht selten auch in Begleitung eines Rechtsbeistandes. Alle Beteiligten dürfen frei sprechen. Aber nichts von dem, was in den Mediatorenrunden gesagt wird, darf später vor Gericht verwendet werden. Unabhängige, seriöse Mediatoren würden niemals als Zeugen aussagen. Sie geben auch keine Rechtsberatung.
Üblicherweise handeln streitende Parteien bereits nach zwei, drei Sitzungen rechtsgültige Verträge miteinander aus. Im Falle von Immobilien, sollten die auch notariell beglaubigt werden. Als Mediatoren arbeiten häufig Psychologen, Soziologen, natürlich auch Juristen, Anwälte aber auch Kommunikationsprofis, Politologen, Pädagogen oder Theologen. Ein bestimmtes Berufsbild des Mediators ist nicht vorgeschrieben.
Schiedsgerichtsverfahren
Ein solches Verfahren als Alternative zum Gang vor ein ordentliches Gericht wird manchmal von Erblassern sogar schon vor Eintreten des Erbfalls testamentarisch verfügt, mit konkreter Nennung eines Schiedsrichters. Nicht selten werden auch drei Schiedsrichter entweder vom Erblasser oder den streitenden Parteien in einer Schiedsgerichtsvereinbarung schriftlich festgelegt. In so einem Fall kann von einer betroffenen Partei alternativ keine Klage erhoben werden. Ein Schiedsrichter muss wie der Schlichter oder Mediator kein Jurist sein. Im Unterschied zur Schlichtung zielt ein Schiedsgericht aber immer auf ein klares und schriftlich fixiertes Ergebnis ab.
Güteverfahren
Noch wenig bekannt ist das Güteverfahren. Dieses Verfahren greift, nachdem die streitenden Parteien bereits vor Gericht gezogen sind. Üblicherweise bittet dann der zuständige Richter die Parteien, ihre Anwälte und erwünschte Begleitpersonen – aber nur, wenn sie in der Sache dienlich sind – in einen Konferenzraum. Ohne Robe und in einer etwas persönlicheren Atmosphäre wird dann versucht, das Problem „außergerichtlich“ zu lösen. Gerade bei darin erfahrenen Richtern empfiehlt es sich, so ein Angebot ernsthaft zu prüfen.
Unsere Zusammenfassung für Sie:
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