Bestattungen sowie andere Zeremonien sind nahezu überall religiös geprägt, doch wie sehen Trauerriten in Japan aus? Japaner gehören selten nur einer Religion an, sondern verbinden Buddhismus und Shintoismus gemeinsam im Alltag. Während der Shintoismus seinen Ursprung in der japanischen Kultur hat und ausschließlich in Japan praktiziert wird, brachten Chinesen den Buddhismus nach Japan. Beide Religionen begannen, sich zu vermischen. Was seinen Ursprung in Japan hat, steht heute für Geburt und Leben, so werden alle Zeremonien und Rituale, die das Leben feiern, nach shintoistischer Tradition gefeiert. Trauerfeiern und Bestattungen werden nach buddhistischem Glauben und seinen Bräuchen vollzogen.

 Eine Frage der Zeit

Aus spirituellen, aber auch praktischen Gründen, liegt den Angehörigen viel daran, den Verstorbenen möglichst bald nach dem Ableben einzuäschern. Zum einen, um ihn schneller dem Jenseits übergeben zu können, zum anderen ist der Tod nach buddhistischem Glauben etwas Unreines, das möglichst zügig wieder gereinigt werden sollte. Das warm-feuchte Klima Japans ist entscheidend dafür, dass meist nur zwei Tage bis zur Einäscherung vergehen, bevor die Wärme und die hohe Luftfeuchtigkeit dem Körper des Toten stärker zusetzen. Für die eigentliche Beisetzung lässt man sich dann hingegen Zeit. Sieben Wochen lang – bis zum 49. Tage nach der Einäscherung – dauert die Trauerzeit, in der die Angehörigen die Urne auf einem eigens dafür aufgestellten Altar zu Hause aufbewahren. Dann wird sie meist im Familiengrab auf dem Friedhof beigesetzt. Die gesamte Zeit vom Tod bis zur Beisetzung ist mit verschiedensten Ritualen und Traditionen versehen, denen Familie, Freunde und Nachbarn beiwohnen. Die folgenden Beschreibungen beruhen auf den alttraditionellen Riten, die jedoch von Region zu Region leicht abgewandelt überliefert wurden, sodass heutzutage nicht mehr jede Trauerzeit exakt gleich abläuft.

 Totenriten und Tabus

Das allgemeine Trauerritual beginnt mit der richtigen Aufbahrung des Verstorbenen im eigenen Heim. Nachdem der Körper gründlich gewaschen wurde, wird er in ein weißes Totengewand gekleidet. Dieses erinnert an ein traditionelles Pilgergewand und kleidet den Verstorbenen für seine letzte Reise ein, den Weg in die Unterwelt. Neben dem weißen Gewand werden sechs Münzen beigelegt, mit denen der Tote die Fährfahrt über den Fluss der Unterwelt bezahlen soll. Sein Körper wird, umringt von vielen Blumen, mit dem Kopf Richtung Norden aufgebahrt. Aus diesem Grund versuchen die Japaner im alltäglichen Leben eine Schlafposition gen Norden zu vermeiden. Neben dem Leichnam werden rituelle Gegenstände wie eine Kerze und eine Glocke sowie Speisen als Reiseproviant für den Toten bereitgestellt. Auch einige Räucherstäbchen werden angezündet. Zum Abschluss der heimischen Aufbahrung, bevor der Körper in den Sarg gehoben wird, rezitiert ein Priester Sutren, kurze Lehrtexte des buddhistischen Schrifttums.

Nun beginnt die Totenwache. Traditionell beginnt sie mit Anbruch der Nacht und dauert bis zum Morgen. Die engsten Familienmitglieder wachen in dieser Zeit beim Verstorbenen. Der Leiter der Trauerzeremonie spricht Gebete. Falls vorhanden übernimmt diese Position traditionell der älteste Sohn, heutzutage tritt jedoch auch oft ein Bestatter an seine Stelle. Auch die Wache selbst wird mittlerweile des Öfteren abgekürzt und dauert nicht mehr die gesamte Nacht.

Trauerfeier und Trauerzeit

Am Tag nach dem Ableben versammeln sich Familie, Freunde und Bekannte zur gemeinsamen Trauerfeier. Am dafür aufgestellten Altar werden Geschenke und Opfergaben dargelegt. Außerdem ist es Brauch, dass die Gäste Geldspenden für die Angehörigen mitbringen, um sich an den Bestattungskosten zu beteiligen. Der Anstand will es, dass im Gegenzug am Ende der Trauerzeit ein Gegengeschenk mit etwa dem halben Wert der Spende verschenkt wird. Zur Totenfeier zünden die Gäste Räucherstäbchen an, ein Priester rezitiert abermals Sutren oder hält eine Predigt und es werden Grabreden gehalten. Anschließend versiegeln alle Nahestehenden den Sarg, indem sie mit einem einfachen Stein auf die Sargnägel klopfen. Die engsten Angehörigen begleiten den Sarg nun ins Krematorium.

Das buddhistischen Bestattungsritual sieht vor, dass die Verbrennung weder zu heiß sein noch zu lange andauern darf, damit der Körper nicht komplett verbrennt und einige Knochenreste erhalten bleiben. Im speziellen Ritus kotsuage (deutsch „Aufheben der Knochen“) werden die Knochenstücke mit Bambusstäbchen von den Anwesenden aus der Asche herausgeholt und in eine Urne gelegt. Dabei werden die Knochen von Stäbchen zu Stäbchen gereicht. Aufgrund dieses Rituals ist es übrigens nicht gern gesehen, wenn bei gemeinsamen Mahlzeiten das Essen mit den Essstäbchen an eine andere Person weitergereicht wird, da die Geste an den zeremoniellen Ritus zur Einäscherung erinnert.

Bevor die Angehörigen die Urne mit nach Hause nehmen dürfen, werden all diejenigen, die am Aufsammeln der Knochenreste beteiligt waren, mit Salz gereinigt. Nach der Einäscherung und der Reinigung ist alles Unreine, was mit dem Tod verbunden wird, bereinigt und die Urne wird sieben Wochen lang zur Trauerzeit im Haushalt aufbewahrt.

Trauerzeit und Totenname: Der Aufbruch einer Reise

Zu Hause beginnt dann die Trauerzeit. Nach buddhistischem Brauch dauert diese Zeit sieben Wochen; so lange benötigt die Seele für ihre Reise ins Jenseits, auf der die Angehörigen ihr spirituell beiwohnen. Alle sieben Tage kommen die Trauernden zu weiteren Zeremonien zusammen, um die Seele des Verstorbenen zu unterstützen.

Aus symbolischer Sicht gleicht dieses Ritual einer spirituellen Mönchsweihe. Daher bekommt der Tote einen neuen buddhistischen Mönchsnamen zugeteilt, der auf eine „Ihai“, eine traditionellen Holz-Gebetstafel, geschrieben und während der Trauerzeit mit auf dem Hausaltar aufgestellt wird. Nach Ablauf dieser engeren Trauerzeit wird die Urne auf dem Friedhof eines buddhistischen Tempels beigesetzt. Anders als bei uns sind ein Großteil der Gräber in Japan Familiengräber, deren Steintafel einzig der Familienname ziert. Zum Begräbnis wird meist für eine bestimmte Zeit das Holztäfelchen mit angehangen, um demjenigen zu gedenken, dessen Urne diesem Grab zuletzt beigeführt wurde.

Traditionen im Wandel

Die beschriebene buddhistische Bestattungstradition wurde über Jahrhunderte hinweg überliefert, jedoch erst vor etwa 100 Jahren standardisiert. Nicht jede japanische Familie trauert gleich und vollführt genau dieselben Schritte der Trauerzeit. Besonders je nach Region gibt es größere Unterschiede. Mittlerweile ist es auch nicht mehr immer nur die Familie, die sich um die Aufbahrung und Totenwache kümmert. Häufig treten professionelle Bestattungsunternehmen hier ein und unterstützen die Angehörigen.

Und es wäre nicht Japan, wenn auch hier nicht irgendwann die Technik mit ins Spiel käme: Seit 2008 gibt es sogar die ersten digitalen Grabsteine. Anhand von eingemeißelten oder auf eigenen Plättchen am Grabstein mit QR-Codes, die mit dem Handy eingelesen werden, können verschiedenste Informationen über die dort zur Ruhe liegenden Personen abgerufen werden. Gerade in Japan hat die Digitalisierung also auch in diesem Bereich schon einen deutlichen Einfluss spürbar gemacht und das Thema online trauern ist hier stärker verbreitet.

Andere haben auch gelesen