Rund um die Welt gibt es verschiedenste Trauerrituale. In Mexiko kehren beispielsweise am Dia de los Muertos die Verstorbenen zu ihrer Familie zurück und besuchen sie. Was in der westlichen Welt als Stoff für zahlreiche Horrorfilme und Gruselgeschichten dient, ist in Mexiko am Dia de los Muertos, also am Tag der Toten, ein Anlass zum fröhlichen Feiern. Der mexikanische Glaube besagt, dass die Verstorbenen jedes Jahr Ende Oktober aus dem Totenreich Mictlan zurückkommen. Dann sollen sie gebührend empfangen werden, mit ihren Lieblingsspeisen und -getränken, Gesang, Tanz und Musik. Denn der Dia de los Muertos ist kein Fest der Trauer, sondern soll neben den Verstorbenen auch das Leben feiern – und das ist nach mexikanischer Auffassung sowieso nur eine von vielen Daseinsformen.
Ursprünglich fand der Tag der Toten laut Azteken-Kalender im Sommer statt, zwischen Juli und August. Mit dem Eintreffen der Spanier im 16. und 17. Jahrhundert verschmolzen die Feierlichkeiten allerdings mit dem christlichen Feiertag Allerheiligen und verschoben sich so in den Herbst. Der mexikanische Tag der Toten gilt seit 2003 als Meisterwerk des mündlichen und immateriellen Erbes der Menschheit und ist als solches Teil des UNESCO-Weltkulturerbes.
Ofrendas als Willkommensgeschenk für die Verstorbenen
Insgesamt erstrecken sich die Feierlichkeiten des Dia de los Muertos über vier Tage, um gebührend den unterschiedlichen Toten gedenken zu können. Beginn ist am 29. Oktober. An diesem Tag wird all jener gedacht, die durch Mord, Selbstmord oder einen Unfall ums Leben gekommen sind, indem für sie Kerzen aufgestellt werden. Am Tag darauf wird den Verstorbenen gedacht, die weder getauft waren noch den letzten Segen erhalten haben.
Am 31. Oktober werden die Ofrendas in den Wohnungen und an öffentlichen Plätzen aufgebaut. Es sind Altäre für die Verstorbenen mit deren Porträts, Lieblingsspeisen und allen weiteren Dingen, die der Tote im Leben gerngehabt hatte. Auch Schnäpse wie Mezcal oder Tequila finden sich darauf, zusammen mit dem süßen Totenbrot Pan de Muertos. Süßigkeiten aus Marzipan und Schokolade, die zu Skeletten, Särgen und Totenschädeln geformt sind, runden das Bild ab. Außerdem sollen auf den Altären noch die vier Elemente symbolisiert werden: die Erde wird durch Früchte dargestellt, seidenpapierene Scherenschnittbilder stellen den Wind dar, Wasser soll den Durst stillen und Kerzen als Feuer den Weg weisen.
Die Idee dieser Altäre ist, dass sich die Toten nach ihrer langen Reise aus dem Totenreich erst einmal stärken sollen. Da sie, dem Glauben nach, Farben wie Orange und Gelb am leichtesten erkennen können, wird der Weg zur Ofrenda mit entsprechend farbigen Ringelblumen ausgelegt, damit die Verstorbenen zu ihrem Altar finden. Weil Tote und Lebende aber zusammen feiern, dürfen sich auch die Lebenden an den Ofrendas bedienen. Auch den Seelen derer, die keine Angehörigen zum gemeinsamen Feiern mehr haben, wird an diesem Tag gedacht.
Feiern in den Straßen und auf den Friedhöfen
Ab dem 1. November kehren die Toten schließlich für zwei Tage ins Diesseits zurück – nur die verstorbenen Kinder kommen schon am 31. Oktober an und bleiben für 24 Stunden. Deswegen wird dieser Tag auch „Tag der Unschuldigen“ oder „Tag der kleinen Engel“ genannt. Ihre Altäre werden besonders liebevoll zurechtgemacht und beinhalten auch das Lieblingsspielzeug.
Die Straßen füllen sich am 1. November mit Feiernden und Mariachi-Bands, denn der Tag der Toten ist in Mexiko ein öffentliches Fest; das Gedenken an verstorbene Angehörige ist keine Privatsache wie in Europa oder den USA.
Den Abschluss bildet der 2. November, der eigentliche Dia de los Muertos, an dem zusammen mit den Toten am Grab auf dem Friedhof gefeiert wird. Zu diesem Zweck wird zuvor das Grab herausgeputzt und dekoriert. Es wird dort gebetet, gesungen und bei Picknicks gemeinsam gegessen. An diesem Tag trifft sich nur die Familie, im Gegensatz zu den anderen Tagen ist man für sich. Wie bei der Beerdigung, nimmt man auch hier wieder Abschied von den Verstorbenen, bis sie im nächsten Jahr wiederkommen. Trauer und Verzweiflung sind aber auch dann nicht zu spüren. Die Mexikaner feiern auf den Straßen genauso ausgelassen wie zuvor.
Festtagsparade dank Bond-Film
Am 29. Oktober 2016 fand in Mexiko City zum ersten Mal ein Umzug zum Dia de los Muertos statt. Eine festliche Parade war zuvor während der Feierlichkeiten nie vorgesehen gewesen – ausgerechnet ein Hollywood-Film, der Bond-Film „Spectre“, gab dazu den Anlass. Hier läuft Bond durch eine bunte Straßenparade, die anlässlich des Dia de los Muertos veranstaltet wird. Um die Touristen nicht zu enttäuschen, die sich diese Parade daraufhin ansehen wollen und extra dafür nach Mexiko reisen würden, führten die Mexikaner sie tatsächlich ein.
Die Parade erstreckt sich über fast 700 Meter und ist in drei Segmente unterteilt, die jeweils der prähispanischen Kultur, der Kolonialzeit und der Parade im Bond-Film gewidmet sind. Es ist ein weiteres freudiges, lebensbejahendes Element der Totenfeierlichkeiten in Mexiko.
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