Weit über eine Milliarde Artikel, Studien, Erfahrungsberichte und Kolumnen findet Google in weniger als einer Sekunde zum Stichwort „Work-Life-Balance.“ Die Überschriften dieser Texte ähneln sich. Immer wieder tauchen die gleichen Begriffe auf: „Einklang“, „Zufriedenheit“, aber auch „Dauerstress“, „Unzufriedenheit“, „Depression“ und „Burnout“. Die Work-Life-Balance steht im Zentrum der modernen Arbeitswelt und gehört zu den wohl wichtigsten Themen, von denen gleichermaßen Arbeitnehmer wie Arbeitgeber betroffen sind.
Work-Life-Balance: Eine Utopie der modernen Arbeitswelt?
Das Deutsche Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend definiert die vielzitierte Work-Life-Balance so: „Work-Life-Balance bedeutet eine neue, intelligente Verzahnung von Arbeits- und Privatleben vor dem Hintergrund einer veränderten und sich dynamisch verändernden Arbeits- und Lebenswelt.“ Was auf dem Papier durchaus positiv und vor allem machbar klingt, erweist sich in der Praxis als schwieriger Drahtseilakt zwischen den Anforderungen der Arbeit und den Bedürfnissen des Privatlebens. Die perfekte Ausbalancierung von Job und Freizeit stellt sich für viele Menschen als eine Utopie heraus: erstrebenswert, aber unmöglich erreichbar.
Schuld daran sind eine Vielzahl von Faktoren, die das ausgeglichene und vor allem scharf voneinander abgegrenzte Nebeneinander von „Work“ und „Life“ erschweren: Insbesondere die Digitalisierung hat längst dafür gesorgt, dass uns unsere Arbeit nach Hause, in die Bar, das Museum oder beim Waldspaziergang folgt. Wir können immer und von überall aus unsere Emails lesen, mit Kollegen kommunizieren, Arbeitsprozesse einsehen, in der Cloud arbeiten, Performances auswerten. Vor allem Selbstständige können Arbeits- und Privatleben nur selten klar voneinander trennen — schließlich könnte ein lukrativer Auftrag verpasst werden, wenn das Smartphone pünktlich um 18 Uhr in den Flugmodus geschickt wird.
Auch deswegen hat sich in den letzten Jahren ein neuer Begriff etabliert, der das alte Modell der Work-Life-Balance zunehmend ersetzt und die Tatsache berücksichtigt, dass Job und Freizeit heute längst nicht mehr so klar voneinander getrennt werden können: Die Work-Life-Integration. Hier geht es nicht darum, Arbeit und Freizeit möglichst weit und strikt voneinander zu trennen, sondern einen Kompromiss zu finden, der beide Dinge auf eine möglichst harmonische, gesunde und produktive Art zusammenbringt. Und dass diese Integration möglichst erfolgreich gelingt, ist extrem wichtig — ansonsten riskieren Betroffene nicht nur ihr Wohlbefinden, sondern auch ihre körperliche und psychische Gesundheit.
Stress ist normal — aber nicht als Dauerzustand
Stress kennen wir alle von unserem Alltag: Termine werden kurzfristig verschoben, Freunde melden sich nicht auf eine dringende Nachricht, der Bus verspätet sich, dem Haustier geht es nicht gut. All diese Dinge verursachen kurzzeitig Stress, wir fühlen uns angespannt, unruhig, fahrig. Damit kommt unser Körper gut zurecht — schwierig wird es allerdings, wenn dieser Stress zum Dauerzustand wird, wir „nicht mehr runterkommen“ können: Stresshormone wie Kortisol greifen dann unser Immunsystem an, Symptome wie körperliche Schmerzen, chronische Müdigkeit, Erschöpfung, Antriebslosigkeit, sogar Hautirritationen und Muskelzuckungen sind die Folge. Und davon wird auch die geistige Gesundheit angegriffen: Burnout und depressive Episoden drohen.
Auslöser für diesen Dauerstress gibt es im Alltags- und Berufsleben viele und sie werden noch weiter durch eine mangelhafte Work-Life-Integration bedingt: Überarbeitung, Leistungsdruck, fehlende Aufstiegschancen, schlechtes Gehalt, aber auch lautstarke Kollegen oder eine ungemütliche Raumtemperatur gehören zu den Faktoren, die für dauerhaften Stress sorgen. Neben diesen externen Faktoren gibt es aber auch „hausgemachte“ Probleme, die aus unserem Mindset heraus den Stress anfeuern: Eine schlechte Zeiteinteilung, wenig Freizeit und „Quality Time“ mit Freunden oder sich selbst, aber auch ungesunde Ernährung und fehlende körperliche Betätigung gehören dazu.
Eine gelungene Work-Life-Integration kann einen entscheidenden Beitrag dazu leisten, diese Stressfaktoren zu eliminieren oder den Schaden, den sie anrichten, zumindest zu minimieren. Zum einen können hier Arbeitgeber geeignete Rahmenbedingungen schaffen: Sportprogramme, gesunde Snacks, Teamevents und offene Kommunikationen stehen hier ganz weit vorne auf der Liste möglicher Maßnahmen. Doch auch Arbeitnehmer können einiges dafür tun, den Dauerstress zu mindern.
Was das eigene Wohlbefinden steigern kann
„Freizeit heißt Freizeit“ ist eine der wichtigsten Regeln, die der moderne Arbeitnehmer verinnerlichen sollte. Selbst, wenn Arbeit im Rahmen der Work-Life-Integration zu einem gewissen Grad Teil des Privatlebens ist und bleibt, muss es auch Raum für eine gezielte Auszeit geben. Hier hilft es, die eigene Freizeit als Termin im Kalender zu markieren, um sicherzugehen, dass sich nicht doch wieder Arbeit dazwischen mogelt.
Neben diesen bewussten Erholungsphasen kann das Führen einer To-Do-Liste ebenfalls dazu beitragen, den scheinbar überwältigenden Arbeitsberg in kleinere Arbeitsschritte aufzuteilen. Außerdem hilft die To-Do-Liste dabei, noch zu erledigende Arbeit, für die gerade keine Zeit ist, zur Seite zu schieben, ohne sie direkt zu vergessen. Das entlastet den Kopf und kann das Wohlbefinden spürbar steigern. Einige Arbeitsexperten empfehlen außerdem, große To-Do’s direkt zu Beginn eines Tages zu erledigen. Ansonsten werden die besonders anspruchsvollen Aufgaben tage- oder sogar wochenlang hinausgeschoben, was spürbare Auswirkungen auf den Stresspegel haben kann.
Neben Sport und gesunder Ernährung, die grundsätzlich den Körper in Stressphasen unterstützen, ist es nicht zuletzt wichtig zu lernen, auch einmal „Nein“ zu sagen. Denn nur weil die Work-Life-Integration vorsieht, dass Arbeit und Privates ineinandergreifen, heißt das nicht, dass die Arbeit niemals enden darf.
Das Arbeits- und Berufsleben in Einklang zu bringen oder erfolgreich ineinander zu integrieren, ist eine große Herausforderung — aber es lohn sich, diese Herausforderung in Angriff zu nehmen: Selbst wenn die ultimative Balance nicht erreicht werden kann, so bessert bereits jeder Schritt und jede Maßnahme auf dem Weg dorthin das eigene Wohlbefinden enorm.
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