Die Suche nach einem neuen Arbeitsplatz kann beschwerlich sein. Man muss seinen Lebenslauf attraktiv gestalten. Es gilt potenzielle Arbeitgeber zu recherchieren und dort mit personalisierten Bewerbungsschreiben einen einwandfreien Eindruck machen. Erst dann kommt es zu einem Vorstellungsgespräch.
Selbst, wer bestens für seinen Traumjob qualifiziert ist, muss mit Ablehnungen beim Bewerbungsprozess rechnen. Hat man mit einem Handicap, beziehungsweise einer Behinderung zu kämpfen, fühlt man sich möglicherweise noch extra benachteiligt in diesem Konkurrenzkampf.
Das muss aber nicht sein. Denn wenn ein körperliches Handicap keine oder wenig Auswirkungen auf die gewünschte Tätigkeit hat, unterscheidet sich die Bewerbung von Menschen mit Behinderungen kaum von denen ohne. Darüber hinaus können Arbeitgeber hierzulande jemandem nicht einfach eine Einstellung verwehren, nur, weil er oder sie an einer Behinderung leidet.
Verpflichtungen für den Arbeitgeber
Arbeitgeber in Deutschland sind dazu verpflichtet, Menschen mit Schwerbehinderungen einzustellen, wenn ihr Unternehmen eine bestimmte Größe überschreitet. Ab einer Beschäftigtenzahl von 20 müssen Privatfirmen und öffentliche Ämter mindestens fünf Prozent Schwerbehinderte beschäftigen. Halten sie sich nicht daran, müssen sie Abgaben an das Integrationsamt bezahlen.
Um einen für behinderte Menschen fairen Bewerbungsprozess zu gewährleisten, ist es Arbeitgebern nicht gestattet, diese ohne Weiteres zu ignorieren. Bewerbungsschreiben von Schwerbehinderten müssen der Schwerbehindertenvertretung und dem Betriebs- oder Personalrat gemeldet werden. Nadine Welker ist bei der LV 1871 als Schwerbehindertenvertretung tätig und hat im Gespräch einige Tipps zum Thema verraten.
Es wird manchmal behauptet, dass Unternehmen jeden Schwerbehinderten, der sich bewirbt, einladen müssen, aber das ist nicht ganz richtig. „Besonders gute Chancen haben Schwerbehinderte in Ämtern oder Behörden. Diese sind verpflichtet, alle fachlich passenden behinderten Bewerber ab einer Schwerbehinderung von 50 Prozent beziehungsweise ihnen Gleichgestellte bei mehr als 30 Prozent einzuladen. Generell denke ich auch, dass in Berufen mit Fachkräftemangel sicher gerne Schwerbehinderte eingestellt werden.“
Menschen mit Handicap können damit rechnen, dass sie auch in der Privatwirtschaft öfter zu Vorstellungsgesprächen eingeladen werden, als Nichtbehinderte. Denn das Behindertengleichstellungsgesetz (BGG) sorgt dafür, dass jeder Mensch mit einer Behinderteneinstufung das Recht hat, gegen eine mögliche Benachteiligung zu klagen. Viele Arbeitgeber geben Behinderten daher lieber eine Chance, als eine Klage wegen Diskriminierung zu riskieren.
Soll ich meine Behinderung in der Bewerbung erwähnen?
Grundsätzlich sind Bewerber nicht verpflichtet, einem zukünftigen Arbeitgeber ihre gesundheitlichen Leiden mitzuteilen. „Ob man seine Behinderung in der Bewerbung angeben sollte oder nicht kommt auf den Einzelfall an. Bei offensichtlichen Behinderungen ist es ratsam, im Anschreiben darauf hinzuweisen, damit sich der potenzielle Arbeitgeber darauf einstellen kann. Ist man durch die Behinderung in seiner Tätigkeit eingeschränkt, ist man sogar verpflichtet dies anzugeben. Aufgrund von Vorteilen wie zusätzlichem Urlaub, verbessertem Kündigungsschutz und Steuererleichterungen lohnt es sich, mit offenen Karten zu spielen. “
Die Gleichstellungsregelungen geben durchaus Gründe, warum man auf dem Arbeitsmarkt offen mit seiner Behinderung umgehen sollte. Aber trotz allem kann die Angst vor Stigmatisierung durch eine körperliche Beeinträchtigung zu einem großen Hemmnis werden. Und es ist verständlich, wenn jemand keine Arbeitsstelle „nur der Quote wegen“ bekommen möchte, sondern, weil er qualifiziert ist und bestens in das Arbeitsumfeld passt.
Offen mit Handicaps umgehen
Manchmal ist die Behinderung auf den ersten Blick erkennbar, aber keineswegs für die Arbeit einschränkend – wie zum Beispiel bei einem Rollstuhlfahrer, der sich auf einen reinen Bürojob bewirbt. Eigentlich sollte es seitens des Arbeitgebers hier keinerlei Schwierigkeiten geben, aber es ist dennoch ratsam, ihn nicht mit dem Rollstuhl bei einem Vorstellungsgespräch zu „überraschen“, sondern diese Tatsache spätestens im telefonischen Vorgespräch anzusprechen.
Chronische Leiden, die als Behinderung anerkannt werden, sind meist nicht für andere erkennbar. Viele Arbeitssuchende scheuen sich davor, solche dauerhaften Krankheiten gleich in ihrem Bewerbungsschreiben zu erwähnen. Wenn die Krankheit für die Ausübung der Tätigkeit keine Rolle spielt, ist dies auch nicht notwendig. Diese Erfahrung hat auch Nadine Welker gemacht:
„Ich selbst habe eine nicht sichtbare Behinderung, die mich in meiner Arbeit nicht einschränkt. Daher habe ich das auch nie im Anschreiben angegeben sondern erst erzählt, als der Bewerbungsprozess abgeschlossen war. Bis jetzt hat darauf niemand negativ reagiert, eher überrascht da man es mir eben nicht anmerkt.“
Verschweigen will gut überlegt sein
Wer sich für eine vollständige Taktik des Verschweigens entscheidet, sollte darüber nachdenken, ob das langfristig sinnvoll ist. Auch wenn man beim Verschweigen nicht unbedingt lügt, kann es sein, dass man sich im Laufe der Zeit in ein Lügengestrick einspannt, aus dem es schwierig ist hinauszukommen. Außerdem ist eine Basis des gegenseitigen Vertrauens und Ehrlichkeit immer das Beste für Beziehungen – egal ob privat oder geschäftlich.
Wer nicht gleich mit der Tür ins Haus fallen möchte, kann seine Vorgesetzten und Kollegen auch nach der erfolgreichen Einstellung noch über seinen Zustand aufklären. Ein weiterer annehmbarer Zeitpunkt wäre nach erfolgreicher Absolvierung der Probezeit – wenn die Behinderung die Arbeit nachweislich nicht eingeschränkt hat.
Welche Formulierungen in der schriftlichen Bewerbung sollte ich gebrauchen?
Fast zehn Prozent aller Menschen in Deutschland sind schwerbehindert. Es ist für Personalabteilungen absolut nichts Besonderes, wenn sie Bewerbungen lesen, in denen Behinderungen erwähnt werden. Man sollte sich also nicht verrückt machen und sich wie alle anderen bei der Bewerbung auf seine Stärken und die spezielle Eignung für den Job konzentrieren. Es reicht, die Behinderung in einem knappen Satz im Anschreiben zu erwähnen. Im gleichen Atemzug sollte darauf aufmerksam gemacht, werden, ob und inwiefern diese Behinderung die Berufstätigkeit einschränkt. Wichtig ist ein positiver Grundton, der klarmacht, dass dies kein Problem am Arbeitsplatz darstellt, etwa: „In meinen acht Jahren Berufserfahrung hat mich meine Gehörschwäche dank meiner hochwertigen Hörgeräte nicht einmal bei meiner Arbeit als Assistentin behindert.“
Beim Vorstellungsgespräch ist Positivität ebenfalls angebracht. Reagiert der Bewerber bei dem Thema gereizt oder ausweichend, könnte der Arbeitgeber glauben, dass das Handicap vielleicht doch ein größeres Problem darstellt. Ein Lächeln und eine Prise Humor können hier den Unterschied machen.
Wenn Sie einen Schwerbehindertenausweis oder eine andere ärztliche Bestätigung besitzen, können sie diese Dokumente – neben dem Hinweis im Anschreiben – ruhig zu ihren anderen persönlichen Unterlagen als Kopien hinzufügen. Das schafft bei den Personalern Klarheit über das Ausmaß der Behinderung.
An welche Stellen kann ich mich wenden?
Möchten Sie sich als Schwerbehinderter direkt bei einem Unternehmen bewerben, lohnt es sich, dort nach der Schwerbehindertenvertretung zu fragen. Dahin kann man schon mal erste Fragen richten und auch die schriftliche Bewerbung adressieren.
Darüber hinaus gibt es mehrere Einrichtungen und Angebote für Menschen mit Handicap und Schwerbehinderte auf der Suche nach einer Arbeitsstelle. Die zuständige Agentur für Arbeit oder das Jobcenter können bei der Suche nach einem speziellen Arbeitsplatz hilfreich sein, beispielsweise bei der Vermittlung schwerbehinderter Akademikerinnen und Akademiker.
Weiterführende Hilfe erhalten Betroffene bei Integrationsämtern, beziehungsweise den ihnen unterstellten Integrationsfachdiensten. Diese deutschlandweiten Beratungsstellen unterstützen Menschen mit Behinderungen aller Art. Sie kennen die Verhältnisse auf dem Arbeitsmarkt und haben Kontakte zu Unternehmen, Behörden und Verbänden. Neben Hilfe bei der Stellensuche stehen sie Behinderten auch während des Arbeitslebens bei allen möglichen Problemen zur Seite.
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