Die Studie „Jugend, Vorsorge, Finanzen 2019“ vom Verband Metallrente — das gemeinsame Versorgungswerk des Arbeitgeberverbandes Gesamtmetall und der Gewerkschaft IG Metall – zeichnet ein klares Bild: Junge Menschen sorgen nicht mehr gerne für die eigene Rente vor. Das belegt eine Befragung von 2.500 jungen Erwachsenen im Alter von 17 bis 27. Die Bereitschaft, für das Alter zu sparen, hat laut dieser Ergebnisse, die nun schon zum vierten Mal erhoben wurden, erheblich abgenommen.
So sorgen nur noch knapp ein Drittel (32%) privat für das Alter vor, immerhin 48% legen zumindest „gelegentlich“ Geld für den Lebensabend zurück. Begleitet werden diese Zahlen von einer spürbaren Unsicherheit und Skepsis der jungen Erwachsenen in Hinblick auf ihr Rentenalter: Stolze 85% rechnen fest damit, noch lange nach ihrem 67. Geburtstag arbeiten zu müssen, mehr als die Hälfte der Befragten (68%) fürchten die Altersarmut. Woher kommen diese Sorgen, Ängste und der scheinbare Unwille, für das Alter zurückzulegen?
Junge Erwachsene fordern Hilfe vom Staat
Heribert Karch, Geschäftsführer des Versorgungswerks, hat die Studie in Auftrag gegeben und analysiert im Interview mit dem MDR mögliche Ursachen für die ausgewerteten Ergebnisse: „Niedrige Einkommen und befristete Arbeitsverhältnisse erschweren es jungen Leuten heute, regelmäßig für ihr Alter zu sparen und systematisch Vorsorge zu betreiben.“
Gespart werde heute bei den Jungen wenn überhaupt in Form von Sparbüchern, festverzinslichen Wertpapieren oder Festgeldkonten. Traditionelle Wertanlagenmodelle wie die Riester-Rente, Bausparverträge oder private Rentenversicherungen haben hingegen längst an Attraktivität eingebüßt.
Klaus Hurrelmann und Christian Traxler, die wissenschaftlichen Leiter der Studie „Jugend, Vorsorge, Finanzen 2019“ pflichten Karch bei und benennen ein Misstrauen der Studienteilnehmer in die Politik als weiteren Grund für die alarmierenden Erkenntnisse: „Die Rentenpolitik muss sich gleichermaßen an den Bedürfnissen der älteren und der jüngeren Generation ausrichten. Geschieht das nicht, sind die jungen Leute nicht nur eindeutig von Altersarmut bedroht, sondern ihr Vertrauen in die Politik gefährdet.“
Spannend ist dabei, dass trotz dieses Misstrauens junge Menschen den Staat im Zugzwang sehen und sich mehr Unterstützung wünschen: 84% der Befragten fordern eine staatliche Rente, die laut der jungen Erwachsenen mit einem entsprechenden politischen Willen auch umsetzbar sei. 2010 waren das noch 74%, eine deutliche Steigerung also. Über die Hälfte der Befragten wollen, dass der Staat alleine die komplette Altersversorgung übernimmt — ein Modell, dass die Befragten noch von der Elterngeneration kennen, wie Hurrelmann im Interview mit Spiegel erklärt: „Im Idealfall wollen die Jugendlichen, dass das Modell ihrer Eltern fortgeführt wird: eine verbindliche, umfassende Altersvorsorge mit garantierter Ausschüttung. Die jungen Menschen haben den Wunsch nach möglichst wenig Stress.“
Frauen sind besonders von Altersarmut gefährdet
Aus der Studie des Verbands Metallrente geht außerdem hervor, dass je nach Geschlecht noch einmal grundlegend unterschiedliche Perspektiven auf die Altersvorsorge und das Rentenalter vorherrschen: Während Dreiviertel der jungen Frauen davon ausgehen, dass sie mit Nachwuchs nur Teilzeit arbeiten werden, nehmen das nur 40% der Männer für sich selbst an. Wissenschaftlicher Leiter der Studie Hurrelmann ordnet diese Zahlen ein: „Viele Frauen gehen Kompromisse ein, weil sie frühzeitig die Gründung einer Familie im Blick haben. Gepaart mit ihrer geringeren Risikobereitschaft ergibt sich daraus ein langfristiges Vorsorgeverhalten, das zu Nachteilen bei der Rente führt.“
Verena Bentele, Präsidentin des Sozialverbands VdK — der größte Sozialverband Deutschlands — fordert schon lange eine „zuverlässige staatliche Altersvorsorge für alle Generationen.“ Bentele fordert eine Rente für alle Menschen, die bei mindestens 50% des letzten Bruttogehalts liegt. Zum Vergleich: Das aktuelle Rentenniveau liegt derzeit nur bei 48%.
Auch deswegen hat der Verband mittlerweile die Kampagne „Rente für alle“ angestoßen, die einen Umbau und Reformierung des Rentensystems fordert und auch eine Diskussion über die Grundrente neu angestoßen hat. Bentele fordert, dass alle Bürgerinnen und Bürger in die gleiche Rentenversicherung einzahlen sollen, ganz egal ob Politiker, Selbstständige oder Angestellte. Nur so sehe laut Bentele ein solidarischer Sozialstaat aus und verweist als Beispiel auf Österreich.
Eine weitere Forderung von Bentele ist außerdem ein höherer Freibetrag in der Grundsicherung und eine Überarbeitung des Steuersystems, denn soziale Gerechtigkeit funktioniere nur durch eine Umverteilung, wie die Präsidentin erklärt. Eine von der Union Mitte geforderte Bedürftigkeitsprüfung diesen Jahres lehnt sie strikt ab.
Unterdessen fordern viele Befragte der Studie auch ganz unmittelbare Konsequenzen, die tief in das Bildungssystem eingreifen: So wünschen sich 87% der jungen Menschen, dass Finanzthemen und ganz speziell auch die Altersversorgung bereits in Schulen thematisiert und angesprochen werden sollen. Nur so können sich Schülerinnen und Schüler frühzeitig informieren, aufklären und die notwendigen Kompetenzen entwickeln, eine für sie geeignete Form der Altersvorsorge zu wählen.
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