Die Mythen, die sich um unsere Erholungsphasen ranken, sind durchwegs positiv. Kein Wunder also, dass es für Außenstehende nahezu unvorstellbar ist, dass der viel gelobte Schlaf auch krankhafter Natur sein kann. Wer zu viel schläft kann zu knapp 40.000 Menschen in Deutschlan zählen, die an Narkolepsie leiden.
Betroffene haben mit einer starken, chronischen Tagesmüdigkeit mit plötzlichen und unvorhergesehenen Einschlafattacken zu jeder Tageszeit und in jeder Situation zu kämpfen. Viele von ihnen klagen zudem über Symptome, wie zum Beispiel Muskelerschlaffungen.
Aber kann ein übermäßiges Schlafbedürfnis wirklich eine Krankheit sein? Schließlich ist doch jeder von uns mal müde, oder?
Aber Narkolepsie ist weitaus mehr als nur Müdigkeit und die Patienten sind in ihrem Alltag oftmals so stark eingeschränkt, dass sie es nicht schaffen einer geregelten Arbeit nachzugehen.
Wie äußert sich Narkolepsie?
Die ersten Symptome einer Narkolepsie zeigen sich meist in jungen Jahren zwischen dem 15. und dem 30. Lebensjahr. Sie können aber auch bereits im Kindesalter oder im späteren Erwachsenenalter auftreten.
Die Diagnostik, die meist durch Neurologen oder Schlafmediziner gestellt wird, ist nicht ganz einfach, denn viele der Symptome sind gleichzeitig Ursachen anderer Syndrome, wie z. B. Vitaminmangel oder dem Restless Legs Syndrom.
Doch lässt sich behaupten, dass bei einer Kombination von mindestens zwei der Ausprägungen die Wahrscheinlichkeit einer Narkolepsie sehr hoch ist.
95% der Erkrankten leiden an den wohl bekanntesten Symptomen: Eine tagsüber schwer kontrollierbare Schläfrigkeit, sowie das ungewollte Einschlafen zu jeder Tageszeit in jeder erdenklichen Situation. Zwar dauern diese Schläfchen meist nur fünf bis 30 Minuten an, doch können sie immer wieder ausbrechen, gerade dann, wenn ein hohes Maß an Konzentration gefordert ist. Das Lesen längerer Texte, Fernsehen, Essen oder Arbeiten sind ein willkommener Anlass für einen kleinen Schlafüberfall.
Hellhörig sollte man werden, wenn man neben der Schläfrigkeit auch an sogenannten Kataplexien leidet. Hierbei handelt es sich um kurze Episoden von Muskelversagen. Bei einer leichten Art beschränken sich diese auf das Erschlaffen von Gesichtsmuskeln oder einem Weichwerden der Knie. In schweren Fällen sackt der Patient komplett in sich zusammen und fällt auf den Boden. Anders als bei der Epilepsie, bleibt man allerdings bei vollem Bewusstsein und spürt den Schmerz, wenn man auf den Boden trifft und hört die Stimmen um einen herum. Ausgelöst werden Kataplexien durch Emotionen wie z. B. Lachen, Ärger oder Überraschung.
Mitmenschen halten das Erschlaffen der Gesichtsmuskeln oft für Grimassen, das Torkeln für erhöhten Alkoholkonsum und das Umfallen für einen medizinischen Notfall. Dies führt dazu, dass die Erkrankten sich stark zurückziehen und zu Hause einigeln.
Ein weiteres Symptom ist die sogenannte Schlaflähmung. Hier ist man beim Einschlafen oder Aufwachen zu einer vollkommenen Bewegungsunfähigkeit verdammt.
Emotional stark belastend sind zudem die schlafbezogenen Halluzinationen. Es wird von sehr lebhaften und realistischen und meist auch furchteinflößenden Traumwahrnehmungen berichtet, die in den frühen (hypnagog) oder späten (hypopom) Phasen des Schlafs erlebt werden. Man sieht oder hört Dinge, die nicht der Realität entsprechen und verspürt parallel eine Lähmung, die einen in eine regelrechte Schockstarre verfallen lässt.
Ursprung der Narkolepsie
Doch woher stammt eigentlich der Begriff der Narkolepsie?
Aus dem Griechischen übersetzt bedeutet „narkos“ so viel wie „Schlaf“, „Lähmung“ oder „Erstarrung“. „Lepsie“ so viel wie „annehmen“ und „empfangen“.
Die ersten konkreten Fallbeschreibungen dazu existieren bereits seit dem Jahr 1877, als ein deutscher Arzt namens Carl Westphal im Rahmen eines medizinisch-psychologischen Vortrags von Zusammenhängen zwischen Schlafanfällen und Muskelschwäche berichtete. Der Begriff der Narkolepsie wurde dann erstmals 1880 durch den französischen Arzt Jean-Baptiste-Eduoard Gélineau in einer Publikation verwendet.
Hypocreatin-Mangel als Ursache der Krankheit
Die Ursachen dieser lebenslangen, neurologischen Erkrankung liegen in einem Zusammenspiel von erblicher Veranlagung und Umwelteinflüssen.
Bei der Ursachenforschung wurde im Gehirnwasser der Patienten weniger Hypocreatin als bei Gesunden gefunden. Hierbei handelt es sich um einen Botenstoff des Gehirns, der Informationen von einer Nervenzelle zur nächsten weitergibt und bei der Regulation von Schlaf- und Wachzuständen eine wichtige Rolle spielt.
Bei einer Narkolepsie sind die Zellen, die diesen Botenstoff produzieren, durch eine fehlgesteuerte Immunreaktion stark beeinträchtigt. Der Körper ist nicht mehr in der Lage einen geregelten Schlaf-Wach-Rhythmus zu steuern.
Davon beeinträchtigt ist nicht nur der Non-REM Schlaf, sondern auch der REM-Schlaf. Betroffene fallen deutlich schneller vom Wachzustand in den REM-Schlaf als Gesunde und das nicht nur, wenn sie schlafen möchten, sondern praktisch unkontrolliert und zu jeder Tageszeit.
Auch wenn das soziale Umfeld es immer wieder gern vermutet: Bei Narkolepsie handelt es sich um ein organisches Leiden, nicht aber um eine psychische Krankheit.
Behandlung der Narkolepsie
Da es sich um eine relativ seltene Krankheit handelt, sind die verfügbaren Medikamente, die die chronische Tagesmüdigkeit, Kataplexien und den gestörten Nachtschlaf lindern könnten, stark begrenzt.
Neben Stimulanzen und anderen Substanzen, die die REM-Phase unterdrücken, werden hin und wieder auch Anti-Depressiva eingesetzt. Um den Nachtschlaf zu fördern, greift man dann wiederum auf Schlafmittel zurück.
Um die medikamentöse Behandlung zu unterstützen ist es ratsam über den Tag hinweg feste Ruhe- und Erholungszeiten einzuplanen, Situationen vorauszuplanen und entsprechende Vorkehrungen zu treffen.
Assistenzhunde können so trainiert werden, dass sie Halluzinationen vorhersehen und den Patienten warnen können. Bei Kataplexien beschützen sie ihre Besitzer und wecken sie bei plötzlich auftretenden Schlafanfällen.
Auch wenn es schwerfällt, so sind Aufklärung, Kommunikation und Transparenz oftmals die wirksamsten Mittel, um unangenehmen Situationen, gerade im öffentlichen Raum, vorzubeugen.
Da es sich um eine sehr seltene Krankheit handelt und die Symptome auch andere Zusammenhänge haben können, ist es für Außenstehende schwer sie als Teil der Narkolepsie wahrzunehmen. Wer informiert ist, zeigt auch mehr Verständnis und Empathie.
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