Vom 1. November bis zum 31. März sind nachts in vielen deutschen Großstädten wieder Kältebusse im Einsatz, um Obdachlosen in den kalten Monaten zu helfen. Dabei gibt es verschiedene Arten von Kältebussen: Einige fahren Patrouille und halten nach bedürftigen Obdachlosen Ausschau, um ihnen ihre Hilfe anzubieten. Andere sind auf Abruf bereit und können beispielsweise von Bürgern angerufen werden, wenn diese einen frierenden Wohnungslosen finden. Es gibt allerdings keine zentrale Nummer, sodass jeweils die Kältebusse der entsprechenden Stadt kontaktiert werden müssen. Die Leistungen der Busse sind nicht einheitlich und weichen von Stadt zu Stadt ab, sodass man sich vorab informieren sollte.
Was sind Kältebusse? Idee und Umsetzung
Die Idee des Kältebusses entstand Mitte der Neunzigerjahre in Berlin, als der Kältetod eines Wohnungslosen bekannt wurde. Die soziale Einrichtung City-Station wollte daraufhin Soforthilfe schaffen. Seitdem sind viele Städte diesem Beispiel gefolgt. Die Busse verkehren oft auf festen Routen und verteilen Essen und warme Getränke, auch die Verteilung von Decken und Schlafsäcken gehört zu den Aufgaben.
In anderen Fällen kann der Bus auch gezielt angerufen werden. Offizielle Nummern findet man dazu auf den Seiten der Städte beziehungsweise Stadtmissionen. Der Berliner Kältebus beispielsweise bringt die Wohnungslosen in einigen Fällen zu Notschlafstellen, wenn die Person es nicht mehr aus eigener Kraft dorthin schafft. Keinesfalls sollte man allerdings auf Telefonnummern zurückgreifen, die auf Facebook geteilt werden, da diese meist fehlerhaft oder schlicht falsch sind.
Es ist ratsam, den Obdachlosen zuvor anzusprechen und zu fragen, ob er die Hilfe eines Kältebusses in Anspruch nehmen möchte, denn nicht immer ist das der Fall. Wird das Angebot abgelehnt, sollte man dies akzeptieren. Ist die Person allerdings nicht ansprechbar, gilt es, sofort einen Krankenwagen unter 112 zu rufen. Denn der Kältebus ist kein Ersatz hierfür und kann auch keine medizinische Versorgung leisten.
Unterstützung und Resonanz in der Bevölkerung
Die Idee des Kältebusses in Deutschland wird überwiegend positiv aufgenommen – sowohl von der Bevölkerung als auch den Obdachlosen selbst, wie der Fahrer eines Hamburger Busses, Joachim Behrens, über seine Erlebnisse mit dem Kältebus berichtet. Vor allem bei den Bussen, die regelmäßig eine grob festgelegte Route fahren, haben die Obdachlosen das Gefühl, dass sich jemand kümmert und nach dem Rechten schaut.
Aktionen für die Obdachlosenhilfe werden oft von mehreren Seiten unterstützt, wie beispielsweise von Unternehmen, die ihre Busse günstiger zur Verfügung stellen – und natürlich durch Spenden. Dennoch reicht die Hilfe in Großstädten wie Berlin oder München oft nicht für alle Obdachlosen aus. Laut einer Statistik gab es allein im Jahr 2018 678.00 Obdachlose auf den Straßen Deutschlands, 28.000 mehr als im Jahr zuvor – wobei man eine erheblich höhere Dunkelziffer einbeziehen muss. Die Initiatoren und sozialen Vereine sind zur Deckung der Kosten daher weiterhin auf Spenden angewiesen. Teilweise erfolgt die Finanzierung auch durch die Städte.
Durch die Spendensituation wurden vereinzelt Kritik und Zweifel an den Kältebussen laut. Der Fall eines Kältebusprojekts in Herford machte beispielsweise im Jahr 2016 Schlagzeilen, als unter anderem Berichte von veruntreuten Spendengeldern öffentlich wurden.
Kältehilfe während Corona
Die Obdachlosenhilfe während der Pandemie wird, wie vieles andere, zu einer größeren Herausforderung als bisher. So müssen zusätzliche Winterschlafplätze für Wohnungslose geschaffen werden, da die bisherigen aufgrund des Abstandsgebots nicht mehr vollständig ausgeschöpft werden können. Die Stadt Berlin ist hierzu beispielsweise mit einigen Hostels im Gespräch, die ihrerseits pandemiebedingt leer stehen. Auch können Suppenküchen nicht mehr wie gewohnt ihre Räumlichkeiten offenhalten, weswegen die Stadt Berlin einen Suppenbus eingerichtet hat, der die Obdachlosen bei Kälte abends versorgt. Hinzu kommt, dass durch die Pandemie auch weniger Pfandflaschen zu sammeln und Zeitungen zu verkaufen sind.
Darüber hinaus benötigt das Hilfspersonal ausreichend Schutzkleidung und -masken. Ein weiteres Problem ist auch, dass in den Wintermonaten mehr Personal als üblich krankheitsbedingt ausfallen könnte.
Obdachlose in der Pandemie – bisher wenig Infizierungen
Positiv zu verzeichnen ist, dass sich laut der Berliner Sozialsenatorin Elke Breitenbach bisher nicht viele Menschen auf der Straße mit dem Corona-Virus infiziert haben. Eine konkrete Erklärung hierfür gibt es nicht, bis auf die Tatsache, dass die Ansteckungsgefahr im Freien geringer ist. Wie allerdings mit möglicherweise infizierten Obdachlosen beziehungsweise solchen, die typische Symptome aufweisen umzugehen ist, ist ebenfalls nicht einheitlich geregelt. In der Regel müssen das die jeweiligen Gesundheitsämter individuell entscheiden, weswegen auch nachts Ansprechpartner verfügbar sein müssen.
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