Jede vierte Person in Deutschland fühlt sich laut TK-Stressstudie 2021 häufig gestresst. In einer Gesellschaft, die „Always-on“ ist, wird Stress zum Dauerbrenner – und so passiert es schnell, dass wir ihn nicht ernst genug nehmen. Wenn nicht behandelter Stress chronisch wird, steht dein Körper dauerhaft unter Alarmbereitschaft.

Lies in diesem Beitrag, was chronischer Stress ist, welche Auswirkungen er auf deinen Körper hat und was du gegen ihn unternehmen kannst.

Was ist chronischer Stress?

Bei chronischem Stress wird Stress zur Dauerbelastung. Bedeutet: Die körperliche und psychische Belastung ist über längere Zeit so hoch, dass dein Körper in Alarmbereitschaft bleibt. Du fühlst dich also dauerhaft angespannt und überfordert. Wenn der Stressabbau auch nicht mehr funktioniert, gerät der Regelkreis der neuronalen Botenstoffe aus dem Gleichgewicht. Der Körper schüttet kontinuierlich Stresshormone wie Kortisol und Adrenalin aus. Vergleichbar ist das mit einem Motor, der ununterbrochen auf Hochtouren läuft und irgendwann überhitzt.

Heutzutage gilt Stress als eines der größten Gesundheitsprobleme weltweit (Statista 2024).LV1871 Grafik: Gesundheitsproblem Stress

Ab wann ist Stress chronisch?

Stress ist chronisch, wenn er sich über mehrere Wochen bis Monate nicht abnimmt und zeitgleich keine Erholung möglich ist. In der Regel geschieht das in Situationen, in denen die Belastung dauerhaft ist oder sich in kurzen Abständen ständig wiederholt. Stress ist ebenfalls chronisch, wenn er so intensiv ist, dass dein Körper in eigentlichen Ruhephasen nicht mehr abschalten kann.

Ab wann Stress so intensiv ist, dass er chronisch wird, lässt sich pauschal nicht beantworten. Denn wie viel Stress ein Körper aushält, ist sehr individuell. Was für den einen schon zu chronischem Stress führt, stresst einen anderen Menschen überhaupt nicht. Anders ausgedrückt spricht die Medizin von chronischem Stress, wenn die individuellen Ressourcen nicht ausreichen, um den Stress abzufangen.

Was sind Ursachen von chronischem Stress?

Ursachen von chronischem Stress sind vielseitig und können aus verschiedenen Lebensbereichen stammen. Meist spielen mehrere Faktoren zusammen und erhöhen so die Belastung.

Das sind die häufigsten Ursachen von chronischem Stress:

  • Beruflicher Druck: Strikte Deadlines, Zeitdruck, Überlastung, Konflikte am Arbeitsplatz oder eine gestörte Work-Life-Balance
  • Soziale und familiäre Belastungen: Isolation, Konflikte, Pflege von Angehörigen, Erziehungsstress, Todes- oder Trennungsfälle
  • Finanzielle Sorgen: Schulden, finanzielle Abhängigkeit oder Unsicherheiten der finanziellen Lage
  • Gesundheitliche Probleme: Chronische Erkrankungen oder langwierige Gesundheitsbelastungen

Außerdem hat die Digitalisierung viele Stressoren zusätzlich verstärkt. So auch das Risiko, an chronischem Stress zu erkranken. Ständige Erreichbarkeit durch digitale Medien und die nie endende Informationsflut führen zur Reizüberflutung. Hinzu kommt die Option sich auf sozialen Medien und anderen Plattformen mit anderen zu vergleichen: Betroffene haben immer höhere Ansprüche an sich selbst und gleichzeitig das Gefühl, nie genug zu sein.

Kurz gesagt: Unsere Lebensweise erhöht die Wahrscheinlichkeit von zu viel Stress. Spielen viele Faktoren über längere Zeit zusammen, kann der Körper die Stressreaktion nicht mehr verhindern.

Wie erkenne ich chronischen Stress?

Im Zustand chronischen Stresses entwickelst du körperliche, emotionale und kognitive Symptome.LV1871 Grafik: Chronischer Stress Symptome

Körperliche Symptome

Initiale Stresssymptome sind immer gleich: Das Herz rast, du beginnst zu schwitzen oder deine Muskeln spannen sich an. Der Grund: Dein Körper mobilisiert Energien, um auf den Stress zu reagieren. Das kurbelt deine Blutzirkulation an. Chronisch ist Stress, wenn weitere physische Symptome hinzukommen – zum Beispiel Schlafstörungen, Kopfschmerzen, Verdauungsprobleme oder Magen-Darm-Beschwerden. Das kann so weit führen, dass dein Immunsystem herunterfährt, was dich anfälliger für Infekte macht.

Emotionale Symptome

Ein zu hohes Stresslevel kann sich zudem auf deine Psyche auswirken. Erste Warnzeichen sind Stimmungsschwankungen, ein anhaltendes Gefühl der Überforderung und schnelle Reizbarkeit. Chronische Stresssymptome können so weit gehen, dass du Angstgefühle oder eine Depression entwickelst. Letztere geht oft mit einem Gefühl der inneren Leere und Antriebslosigkeit einher.

Kognitive Symptome

Kognitiv betrachtet, treten Stresssymptome unterschiedlich in Erscheinung. Während der Stress anhält, treibt er häufig unsere Gehirnleistung an. In Stresssituationen bist du sehr aufmerksam – zum Beispiel bei einem Meeting, das du moderierst. Hält der Stress zu lange an, tritt das Gegenteil ein. Statt aufmerksam zu sein, wirst du vergesslicher und fahriger, du hast Konzentrationsschwierigkeiten. Dann kannst du dich weniger auf deine Aufgaben bei der Arbeit oder eigentlich simple ToDos im Alltag fokussieren.

 Wichtiger Hinweis: Viele dieser Symptome sind allgemeine Anzeichen einer erhöhten Stressbelastung. Sie bedeuten nicht zwingend, dass du unter chronischem Stress leidest. Bestehen mehrere Symptome allerdings über einen längeren Zeitraum, ist das ein Warnzeichen.

Was sind Folgen von chronischem Stress?

Treten die Stresssymptome zu häufig und/oder zu intensiv auf, macht Stress dich krank. Stresshormone wie Adrenalin und Kortisol sorgen in angespannten Situationen dafür, dass dein Körper kurzfristig leistungsfähig bleibt – eine überlebenswichtige Reaktion in akuten Gefahrensituationen.

Allerdings ist Stress in unserer heutigen Welt selten mit einem Kampf ums Überleben verbunden: dein Körper erkennt nicht, dass die Bedrohung möglicherweise nur aus einer beruflichen Deadline, sozialen Konflikten oder anderen Alltagsbelastungen resultiert. Statt sich zu erholen, schaltet er in den Überlebensmodus, der auf Dauer schädlich ist. Denn langfristig schwächen Energiegeber wie Kortisol eben doch dein Immunsystem. Krankheiten sind die Folge:

Immunschwäche

Dauerstress kann eine erhöhte Infektanfälligkeit des Immunsystems nach sich ziehen. Denn ein gestresster Körper ist weniger in der Lage, Viren oder Bakterien abzuwehren. Erkältungen und grippale Infekte können infolge zunehmen. Bereits vorhandene Autoimmunerkrankungen können sich durch anhaltenden Stress zudem verschlechtern – zum Beispiel rheumatoide Arthritis oder Lupus.

Herz-Kreislauf-Erkrankungen

Ständig unter Anspannung zu stehen und ein hoher Kortisolspiegel erhöhen das Risiko von Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Denn dauerhafter Stress erhöht auf die Dauer den Blutdruck, was die Gefäße belastet. Schlimmstenfalls kann dieses Ungleichgewicht in einem Herzinfarkt oder Schlaganfall enden.

Erkrankungen des Verdauungstraktes

“Stress schlägt auf den Magen“ ist ein altbekanntes und zugleich wahres Sprichwort. So gibt es Stressesser und wiederum andere, die in stressigen Phasen keinen Bissen herunterkriegen. Dauerhaft hohe Kortisolwerte steigern den Appetit auf kalorienreiche Nahrung, was zu einer Gewichtszunahme führen kann und Fettablagerung im Bauchbereich begünstigt.

Genauso kann durch chronischen Stress ein Reizdarmsyndrom entstehen. Denn Stress beeinflusst die Darmflora sowie die Nerven im Verdauungstrakt. Du hast vermehrt Bauchschmerzen, Durchfall oder leidest an Verstopfung. Sogar Magengeschwüre können durch Stress entstehen, da Stress mehr Magensäure produzieren lässt und so langfristig die Magenschleimhaut schädigen kann.

Stoffwechselerkrankungen

Hormone wie Kortisol stellen dem Körper zur Stressbewältigung Energie zur Verfügung. Diese Energie stammt vor allem aus Zucker. Dieser wird entweder aus der Freisetzung von Glukose aus den Glykogenspeichern oder durch die Neubildung von Zucker bereitgestellt. Kortisol verringert jedoch die Insulinempfindlichkeit der Zellen, was bedeutet, dass die Zellen weniger auf Insulin reagieren und den Zucker nicht effektiv aufnehmen können.

Oder anders ausgedrückt: Damit der Blutzuckerspiegel langfristig erhöht bleibt, hemmt Kortison den Zuckertransport in die Zellen. Die Bauchspeicheldrüse versucht dann den Blutzuckerspiegel zu senken, indem sie mehr Insulin produziert. Hält dieser Zustand zu lange an, kann es zu einer Insulinresistenz führen, also Diabetes Typ-2 begünstigen oder entstehen lassen.

Neurologische Erkrankungen

Chronischer Stress verstärkt ebenfalls neurologische Beschwerden wie Kopfschmerzen. Das kann schlimmstenfalls zu Migräne oder Spannungskopfschmerzen führen. Auch Kieferbeschwerden und Zähne knirschen/pressen können parallel auftreten. Da Stress die Funktionen des Hippocampus beeinflusst, können auch neurologische Erkrankungen wie Gedächtnisstörungen auftreten.

Hauterkrankungen

Dass sich chronischer Stress auf viele Bereiche des Körpers auswirket, zeigen Folge-Hauterkrankungen. Insbesondere solche wie Neurodermitis oder Psoriasis können sich in Stresssituationen verschlimmern. Stress kann ebenfalls ein Auslöser dieser Krankheiten sein. Diese Dysbalance kann auch Hautunreinheiten hervorrufen, da diese meist hormonell bedingt sind.

Hörsturz und Tinnitus

Vielleicht kennst du es selbst: In Stresssituationen nimmst du Geräusche wie Pfeifen, Summen oder Rauschen verstärkt wahr. Das liegt daran, dass die Aktivität deines Nervensystems erhöht ist – insbesondere die des Sympathikus. Der Sympathikus schaltet in den Fluchtmodus. Das kann zu Tinnitus führen. Dein Gehirn filtert dann vermehrt Geräusche, wodurch du sie intensiver wahrnimmst. Das Gegenteil ist der Hörsturz, der plötzliche Verlust deines Hörvermögens. Dann hörst du auf einem oder auch beiden Ohren nur noch dumpf bis gar nicht.

Wichtig: Im Falle eines Hörsturzes ist schnelles Handeln erforderlich, um ein dauerhaftes Versagen des Hörsystems zu verhindern.

Depressionen

Botenstoffe stehen bei Dauerstress in einem Ungleichgewicht und begünstigen dadurch psychische Erkrankungen. Das kann zur Erschöpfung des Geistes führen. Symptome wie Antriebslosigkeit oder verstärkte Müdigkeit weisen auf eine Depression hin. Oft ziehen sich Menschen dann auch zurück. Von Depression gibt es verschiedene Formen, zum Beispiel Burnout oder eine Erschöpfungsdepression.

Was kannst du selbst bei Stress tun?

Um chronischem Stress vorzubeugen und dein allgemeines Stresslevel zu minimieren, kannst du dein Stressverhalten einmal genauer betrachten.

Die folgenden Tipps zeigen dir, wie du Stress in deinem Leben abbaust und lernst, gesünder mit ihm umzugehen.

Tipp 1: Stressoren identifizieren und beseitigen

Um auf Stress reagieren zu können, musst du zunächst wissen, was ihn auslöst. Starte damit, alle Stressquellen aufzulisten, die dir Lebensqualität nehmen. Stressoren meint in diesem Sinne die Ursachen für deinen Stress – zum Beispiel Deadlines, die Pflege deiner Angehörigen oder veränderte Kita-Öffnungszeiten.

Teile die Stressoren dann in „veränderbar“ und „unveränderbar“ ein. Im nächsten Schritt kannst du schauen, ob du die unveränderbaren Quellen aus deinem Leben streichen oder delegieren kannst. Wichtig ist hier, ehrlich zu dir selbst zu sein und deine eigene Belastbarkeit genau zu kennen.

Tipp 2: Ausgleiche für Körper und Geist finden

Generell wird es dir nie möglich sein, sämtliche Stressoren aus dem Leben zu streichen. Strategien zur Stressbewältigung helfen dir dabei, besser mit ihm umzugehen. Überschüssige Stresshormone kannst du beispielsweise mit körperlicher Aktivität minimieren – in Form von Sport, einem Spaziergang oder Schwimmen. Meditation und Yoga fördern hingegen die mentale Entspannung. Auch Hobbys wie Lesen, Musik machen oder Gärtnern sind ein guter Gegenpol zum stressigen Alltag. Dazu zählt auch ein gesunder und langer Schlaf: Ausreichend Schlaf macht deinen Körper widerstandsfähiger.

Tipp 3: Atemübungen und Resilienz-Training

Dein Atem ist ein Anti-Stressmittel, dass du immer mit dir führst. Eine bewusste Atmung kann deinen Körper nämlich schnell zur Ruhe bringen. Bewährt hat sich zum Beispiel die 4-7-8-Atmung. Mit ihr atmest du vier Sekunden durch die Nase ein, hältst den Atem für sieben Sekunden und atmest für acht Sekunden langsam aus. Dein Nervensystem und deine Herzfrequenz entspannen sich, wenn du das ein paar Mal wiederholst.

Zusätzliche Resilienz-Trainings stärken deine innere Widerstandsfähigkeit. Journaling und Dankbarkeitstagebücher sind hilfreich, um eine positive Perspektive auf das Leben zu gewinnen. Workshops gehen hingegen individuell auf dich ein. Hier lernst du, wie du in Stresssituationen richtig reagierst und dich selbst entspannst.

Tipp 4: Soziale Kontakte pflegen und Auszeiten nehmen

Vor lauter Stress lieber das Treffen mit Freunden absagen? Diesen Gedanken hattest du wahrscheinlich auch schon mal. Genau das ist aber oftmals keine gute Idee. Denn Menschen mit einem starken sozialen Umfeld sind besser gegen chronischen Stress gewappnet. Sich mit anderen auszutauschen, wirkt entlastend und sorgt dafür, dass du dich mit deinen Problemen nicht allein fühlst. Gemeinsame Auszeiten können zudem dabei helfen, dich vom Stress abzulenken und wieder Kraft zu tanken.

Wichtig ist dabei aber: Konzentriere dich auf die Freunde und Familienmitglieder, die dir auch wirklich guttun.

Tipp 5: Stressmanagement auf der Arbeit

Stress auf der Arbeit ist ein Hauptfaktor für chronischen Stress. Das macht Stressmanagement im Job umso wichtiger. Setze Prioritäten, indem du deine Aufgaben in „dringlich“, „weniger dringlich“, „wichtig“ und „weniger wichtig“ unterteilst. Dann arbeitest du von dringlich und wichtig bis hin zu weniger dringlich und weniger wichtig alle Aufgaben Stück für Stück ab – und das am besten in einem Umfeld, in dem du dich wohlfühlst. Wenn möglich, gestalte deinen Arbeitsplatz so, dass er dir Ruhe schenkt.

Therapien und Behandlungen bei chronischem Stress

Die oben gezeigten Maßnahmen helfen zusätzlich dabei, chronischen Stress abzubauen. Beeinträchtigt chronischer Stress allerdings die Lebensqualität, sollten Therapien und Behandlungen der erste Weg sein.

Das sind mögliche Ansätze:

  • Kognitive Verhaltenstherapie: Bei dieser Therapieform lernst du, stressauslösende Gedanken zu erkennen und sie durch eine konstruktive Denkweise zu ersetzen. Zudem erfährst du, welche Bewältigungsstrategien dir in stressigen Situationen helfen können.
  • Biofeedback: Die Behandlung misst und visualisiert Körperfunktionen wie Herzschlag oder Muskelanspannung. Du erfährst, wie Stress deinen Körper beeinflusst und wie du deine Reaktion bewusst kontrollierst.

Achtsamkeits-Coachings: Mithilfe von Achtsamkeitstrainings hilfst du deinem Körper dabei, sich aus dem Alarmmodus zu lösen.

Fazit: Chronischer Stress kann zu Berufsunfähigkeit führen

Da Stress im Alltag oft gegenwärtig ist, erkennen Betroffene teilweise zu spät, wann ihr Stress chronisch wird. Mit Entspannungstechniken und weiteren vorbeugenden Maßnahmen entscheidest du dich bewusst dafür, Stress in deinem Leben zu minimieren und chronischem Stress vorzubeugen. Bleibt Stress hingegen unbehandelt, kann er zu Krankheiten bis hin zur Berufsunfähigkeit führen. Das ist der Fall, wenn Stress deinen Körper physisch und/oder psychisch so krank macht, dass du mehr als sechs Monate nicht mehr arbeiten kannst. Deshalb ist es wichtig, Stress ernst zu nehmen. Wenn du das Gefühl hast, dass dir alles zu viel wird, suche dir Unterstützung von außen – zusätzlich zu den Maßnahmen, die du selbst ergreifen kannst.

Da Stress heutzutage ein weit verbreitetes Problem unserer modernen Gesellschaft ist, ist es ratsam für den Fall der Fälle frühzeitig eine Berufsunfähigkeitsversicherung (BU-Versicherung) abzuschließen. Denn neben chronischem Stress können auch unvorhergesehen Krankheiten dazu führen, dass du für einen längeren Zeitraum nicht mehr arbeiten kannst. Im Ernstfall unterstützt dich dann die BU-Versicherung mit einer monatlichen Rente. Damit kannst du weiterhin deinen finanziellen Verpflichtungen nachkommen und musst deinen Lebensstandard nicht anpassen.

Andere haben auch gelesen