Frugalisten verzichten auf Shoppingtouren, drehen beim täglichen Einkauf jeden Cent um und sparen durchs Duschen im Fitnessstudio Wasserkosten. Immer mit dem Ziel vor Augen, so früh wie möglich finanziell frei und unabhängig von einer festen Anstellung leben zu können. Lange ein Phänomen aus den USA wird diese Bewegung und der Wunsch nach der frühen Rente auch in Deutschland immer populärer. Doch muss es gleich immer die extreme Abstinenz und der Ruhestand mit 40 sein? Wir zeigen: finanzielle Unabhängigkeit geht auch anders.
Wer von der frühen Rente träumt und für fleißig für die Altersvorsorge spart, ist bei Recherchen sicherlich schon auf den Begriff „Frugalismus“ gestoßen. Er findet seinen Ursprung in der F.I.R.E.- oder auch „Financial Independence, Retire Early“-Bewegung, die spätestens seit dem Platzen der amerikanischen Immobilienblase im Jahr 2008 und der darauffolgenden globalen Finanzkrise zunehmend Anhänger findet. Dahinter steckt ein Lebensstil, bei dem große Teile des Einkommens gespart und angelegt werden, um möglichst frühzeitig die Rente antreten zu können.
Frugalismus – minimalistisch leben und hart sparen
Angaben des Statistischen Bundesamtes zufolge lag die durchschnittliche Sparquote der Deutschen in den letzten zwanzig Jahren zwischen 9 und 10 Prozent. Im Corona-Jahr 2020 kletterte dieser Wert sogar auf 16,2 Prozent. Doch für Anhänger des Frugalismus ist selbst das nicht genug. Frugalisten legen jährlich bis zu 80 Prozent ihres Einkommens zur Seite. Denn für sie gilt: Am besten schon mit 40 raus aus dem klassischen Arbeitsalltag und rein in die Freiheit, ohne sich dabei Sorgen um Finanzen machen zu müssen.
Die Vorstellung, nach nur wenigen Berufsjahren finanziell unabhängig zu sein, klingt erstmal attraktiv. Doch die Sache hat auch einen Haken. Nur wenige Teile der Bevölkerung können und wollen ihren Lebensunterhalt mit einem Bruchteil ihres regulären Einkommens finanzieren. Die frühzeitige finanzielle Unabhängigkeit erreichen auch Frugalisten nur mit eisernem Verzicht. Manche gehen sogar noch weiter und bleiben auch nach der ersehnten Frührente dem Minimalismus treu. Doch egal ob langfristiger Lebensstil oder Mittel zum Zweck: erstmal muss hart gespart werden.
Wann fühlen sich die Bundesbürger finanziell unabhängig?
- 47 %: Wenn sie sich keine Gedanken über Geld machen
- 27 %: Wenn finanzielle Reserven aufgebaut werden können
- 11 %: Wenn das Geld für Anlagen und Investitionen reicht
2.527 € benötigen die deutschen Bundesbürger durchschnittlich für ein sorgenfreien Leben.
Viele Wege führen zur finanziellen Unabhängigkeit
Frugalismus ist aber nicht der einzige Weg zum selbstbestimmten Leben und zur finanziellen Freiheit führt. Um die eigenen Finanzen und Altersvorsorge in die Hand zu nehmen, braucht man nicht gleich zum extremen Minimalisten werden. Die persönliche finanzielle Unabhängigkeit lässt sich auch anders erreichen. Wichtig ist dabei vor allem, sich aktiv mit der eigenen Finanzplanung auseinanderzusetzen und diese an seine persönlichen Lebensziele anzupassen.
Auf dem Weg zur finanziellen Unabhängigkeit gibt es zahlreiche Maßnahmen und Schritte, die dabei helfen, die eigene Finanzplanung mit der Lebensplanung in Einklang zu bringen. Mögliche Ansätze für mehr finanzielle Freiheit sind:
- ZIELE DEFINIEREN: Zunächst ist es wichtig, die persönlichen Lebens- und Finanzziele klar zu definieren. Hierbei ist es hilfreich, diese nach der SMART-Methode zu formulieren. Also spezifisch, messbar, attraktiv, realistisch und terminierbar.
- ÜBERBLICK ERHALTEN: Als Nächstes sollte man sich einen Überblick über die eigenen Finanzen verschaffen. Wie mühsam das auch sein mag, ist es dennoch wichtig genau zu verstehen, in welcher finanziellen Lage man sich befindet: Wie hoch sind die Einnahmen, welche Ausgaben stehen monatlich an, wie groß ist das Vermögen und gibt es Schulden zurückzuzahlen.
- FINANZPLAN AUFSTELLEN: Auf dieser Basis kann ein Finanzplan erstellt werden. Dabei hilft es jeweils fixe Spar- und Investitionsbudgets zu definieren. Das verschafft Klarheit über die eigenen Einnahmen und Ausgaben.
- SICHERHEIT SCHAFFEN: Das Leben verläuft unberechenbar, deswegen sollten Finanzpolster für finanzielle Tiefschläge angelegt werden und finanziell vorgesorgt werden. Auch sollten Konsumschulden abgebaut und Versicherungen wie z.B. eine private Haftpflicht- oder Berufsunfähigkeitsversicherung abgeschlossen werden.
- EINKOMMEN ERHÖHEN: Passen die finanziellen Ziele zum IST-Zustand, kann man schauen, ob das Einkommen noch aufgebessert und Ziele so vielleicht sogar schneller erreicht werden können. Möglichkeiten dafür gibt es viele: vom Aufbau passiven Einkommens durch Anlagen über nebenberufliche Selbstständigkeit bis hin zu einer bewussten Karriereplanung.
- INVESTIEREN: Über den Notgroschen hinaus ist es ratsam, überschüssiges Einkommen für sich arbeiten zu lassen. Zum Beispiel über ETFs oder fondsgebundene Rentenversicherungen.
Mit diesem Starter-Kit zur Finanzplanung scheint das ganze Thema gar nicht mehr so zeitaufwendig und kompliziert. Aber wie aktiv sind die Deutschen in puncto Finanzplanung wirklich?
Woher das Geld kommt?
Von fasten jedem zweiten werden in Deutschland ein Sparbuch und ein Girokonto zu Geldanlage genutzt. Das ist jedoch in der Niedrigzinsphase die denkbar schlechteste Wahl.
- Zwei Drittel der Menschen beziehen ihr Einkommen aus einem Angestellten- Verhältnis. Im Vergleich dazu beziehen in der USA nur fast die Hälfte aller Bewohner ihr Einkommen aus einem Angestellten- Verhältnis.
- Nur ein Fünften der Erwachsenen in Deutschland investiert in Aktien. In der USA sind es mit mehr als der Hälfte der Erwachsenen, die in Aktien investieren, deutlich mehr.
Finanziell unabhängig durch aktive Finanzplanung
Finanzielle Unabhängigkeit ist für 69 Prozent der Deutschen ein Teil vom Freiheitsverständnis. Etwa genauso viele Menschen möchten hierzulande bis maximal zum 60. Geburtstag arbeiten, während Wirtschaftsvertreter eine Erhöhung des Rentenalters auf 70 Jahre fordern.
Der Financial Freedom Report 2021 der LV 1871 zeigt jedoch auch, dass sich die Mehrheit der Bundesbürger auf ihre Festanstellung verlässt. Viel zu häufig setzt sie auf die staatliche Altersvorsorge und renditearme Anlagemethoden wie Sparbücher, um ihre Zukunft abzusichern. Diese bescheidene Mentalität steht der erwünschten finanziellen Unabhängigkeit im Weg. Wunsch und Wirklichkeit klaffen auseinander. Denn es braucht zwar nicht unbedingt den Frugalismus, aber finanzielle Unabhängigkeit kommt auch nicht von allein. Sie erfordert eine grundlegende finanzielle Bildung und eine individuelle, vorausschauende und aktive Finanzplanung.
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