Nachhaltige Aktien boomen
Grüne Aktien, ESG-Aktien, nachhaltige Aktienfonds, ethische und umweltfreundliche Aktien: Wenn Sie in Nachhaltigkeit investieren wollen, stoßen Sie auf viele Abkürzungen und schillernde Begriffe. Unser Ratgeber rund um das Thema nachhaltige Aktien hilft Ihnen, sich einen Überblick über grüne Wertpapiere entsprechend Ihrer persönlichen Anlagestrategien und Wertvorstellungen zu verschaffen.
FNG Marktbericht 2024: Mehr als 500 Milliarden Euro wurden 2023 in nachhaltige Kapitalanlagen investiert
542 Milliarden Euro: Diese Rekordsumme floss 2023 in nachhaltige Geldanlagen – und das allein nur in Deutschland*. Diese Zahlen vom Forum Nachhaltige Geldanlagen e.V. zeigen, wie sehr nachhaltige Aktien derzeit boomen. Finanzanbieter werben daher vermehrt mit Begriffen wie grüne Aktien, ESG-Aktien, Umwelt- oder Klimaschutz-Aktien.
*Quelle: Forum Nachhaltige Geldanlagen e.V.: FNG Marktbericht 2024
Wenn Etiketten schwindeln
Allerdings ist der Begriff „nachhaltig“ sehr dehnbar. Nicht jedes Produkt, das sich mit dem Begriff schmückt, ist auch tatsächlich ausschließlich nachhaltig. Wenn ein Lebensmittel beispielsweise nachhaltig produziert wird, aber anschließend um den halben Globus transportiert werden muss, widerspricht das dem reinen Nachhaltigkeitsgedanken. Genauso wenig wie nachhaltige Waren, die in Kinderarbeit gefertigt werden.
Der Begriff nachhaltige Aktie ist außerdem weder geschützt noch messbar. Das soll sich zwar bald ändern (mehr dazu am Ende unseres Ratgebers), aber derzeit kann jedes Unternehmen ökologische Aktien anbieten, ohne extern festgelegte Kriterien zu erfüllen. Das gilt auch für nachhaltige Aktienfonds: Hier stellen die Anbieter ihre eigenen Auswahlkriterien auf.
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Drei Wege zur nachhaltigen Aktie
Das erschwert natürlich die Übersicht, aber Sie haben mehrere Möglichkeiten, die Spreu vom Weizen zu trennen. Die drei gängigsten Methoden, wie Ihre Aktien nachhaltig werden, stellen wir Ihnen hier detailliert vor: das Ausschlussverfahren, gezieltes Investieren sowie die ESG-Kriterien.
Möglichkeit 1: Branchen ausschließen
Der am häufigsten genutzte Weg zur nachhaltigen Aktie ist das Ausschlussverfahren, denn das fällt den meisten Anlegern am leichtesten. Damit schließen Sie Investments in bestimmte Unternehmen und Branchen komplett aus. Laut dem Forum für nachhaltige Geldanlagen e.V.* sind das mit Abstand häufigste Ausschlusskriterium bei Anlagestrategien ABC-Waffen, gefolgt von "Streubomben und Antipersonenminen", Verstößen gegen Menschenrechte und fossile Energieträger / Kohle. Diese Beispiele können Ihnen schon helfen, den Kreis infrage kommender nachhaltiger Aktien zu verkleinern.
Quelle: Marktbericht Nachhaltige Geldanlagen 2024, S. 17
Möglichkeit 2: Gezielt in Branchen und Unternehmen investieren
Bei diesem Weg zur nachhaltigen Aktie legen Sie Ihr Geld in Bereichen an, die nachhaltige Produkte und Dienstleistungen anbieten. Zum Beispiel in E-Mobilität und Recycling, oder Sie fördern mit Aktien nachhaltige Energien wie Wind- oder Sonnenkraft. Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) hat 2019 eine Umfrage mit rund eintausend repräsentativ ausgewählten Finanzexperten ausgewertet, um die am häufigsten gewählten Kriterien für ein nachhaltiges Investment zu ermitteln. Demnach ist den meisten Investoren der Schutz des Klimas, der Menschenrechte und der Umwelt am wichtigsten. Danach folgen der Kampf gegen Armut und Hunger, die erneuerbaren Energien, Tier- und Pflanzenschutz, eine globale Lieferkette mit hohen Umwelt- und Sozialstandards, die Einhaltung der Arbeitnehmerrechte und eine transparente Vergütung der Vorstandsgehälter.
Es ist für private Anleger allerdings schwierig und aufwendig, Branchen oder gar einzelne Unternehmen fundiert nach grünen Kriterien zu beurteilen. Viele Unternehmen versprechen mit ihren Aktien Nachhaltigkeit und veröffentlichen eigene Nachhaltigkeitsberichte, doch diese sind oft umfangreich und schwer zu analysieren – zumal die Unternehmen natürlich ein Interesse daran haben, sich möglichst vorteilhaft zu präsentieren. Darum kommt hier eine weitere Orientierungshilfe: die ESG-Kriterien.
Möglichkeit 3: in ESG-Aktien investieren
Die Abkürzung ESG steht für Environment, Social und Governance, die drei Kriterien bewerten Unternehmen also nach den Aspekten Umwelt, Soziales sowie Unternehmensführung. Umweltfaktoren sind zum Beispiel der Ressourceneinsatz bei der Produktion und die Umweltverträglichkeit der Produkte. Die sozialen Kriterien umfassen unter anderem faire Löhne wie gleiche Entlohnung für Frauen und Männer sowie die Arbeitsbedingungen. Eine gute Unternehmensführung fördert beispielsweise Weiterbildungsmaßnahmen und die Steuertransparenz.
Nachhaltige Aktien auf dem Prüfstand
Ratingagenturen wie MSCI, Sustainalytics oder S&P bewerten anhand von Unternehmensangaben, Presseberichten und eigenen Analysen. Oft werden auch NGOs zu Rate gezogen, also Nichtregierungsorganisationen wie die Weltbank oder Transparency International.
Wenn Sie wissen wollen, wie ein bestimmtes Unternehmen bei den ESG-Kriterien abschneidet, können Sie auf den Webseiten einiger Ratingagenturen kostenlose Informationen zu vielen (aber nicht allen) Unternehmen abrufen, etwa mit den Such-Tools bei MSCI, S&P und Sustainalytics.
ESG-Aktien: Welche Unternehmen schneiden am besten ab?
Mit dem MSCI World Socially Responsible Index (SRI) hat MSCI zum Beispiel einen Index angelegt, der rund 400 Unternehmen mit den besten ESG-Ratings listet. Stand 31. August 2022 standen die folgenden acht Unternehmen an der Spitze:
- Tesla
- Microsoft
- Nvidia
- Home Depot
- Coca-Cola
- Pepsi
- Roche
- Disney
Dass Software-Firmen wie Microsoft bei den ESG-Ratings eher oben gelistet werden als Industriekonzerne, liegt natürlich an ihrem wesentlich geringeren CO2-Ausstoß. Es zeigt sich aber auch, dass eine gute ESG-Note nicht bedeutet, in jedem Kriterium Bestleistungen zu liefern – schließlich sind Produkte von Coca-Cola und Pepsi nicht gerade nachhaltig gesund.
Alternative: Nachhaltige Aktienfonds
Alternativ zum Kauf einzelner nachhaltiger Aktien können Sie natürlich in nachhaltige Aktienfonds investieren. Das Angebot an den sogenannten grünen Fonds nimmt wegen der steigenden Nachfrage allerdings ebenfalls zu, der Fondsmarkt wird auch hier unübersichtlicher. Zum Beispiel werden zahlreiche grüne ETF angeboten. ETF, kurz für Exchange Traded Fonds, bilden einen Aktienindex nach. Ihre Kursentwicklung zielt deshalb darauf ab wie der jeweilige Index zu verlaufen – darum heißen ETFs auch Indexfonds. Der DAX-ETF etwa enthält alle Aktien des DAX, also des Deutschen Aktien-Index. Die sogenannten grünen ETF nehmen nur diejenigen Unternehmen auf, die zur nachhaltigen Ausrichtung des Fonds passen, etwa ausschließlich Firmen im Bereich erneuerbare Energien. Dadurch sollen die Vorteile eines ETF mit Nachhaltigkeitsprinzipien kombiniert werden.
Grundsätzlich ist das eine gute Idee. Allerdings legt jeder Anbieter eines grünen ETF selbst fest, welche Unternehmen er aufnimmt. Es existieren auch hier keine allgemeinen Kriterien oder gesetzliche Vorgaben. Zum Beispiel gibt es grüne ETF, die nicht nur die nachhaltigsten Unternehmen einer Branche aufnehmen (das sogenannte Best-of-Class-Prinzip), sondern die nachhaltigsten 50 Prozent der Branche – dadurch gelangen auch mittelmäßig nachhaltige Firmen ins Portfolio. Hier bietet das FNG-Siegel, das sich in Deutschland als seriöses Nachhaltigkeitssiegel etabliert hat, Orientierung. Dieses Siegel wird vom Forum für Nachhaltige Geldanlagen e.V. vergeben und muss jährlich erneuert werden.
Magisches Dreieck mit vierter Ecke
Grüne Aktien, Umweltschutz-Aktien oder ethische Aktien sind nicht zwangsläufig sicherer als andere, nur, weil sie auf ökologischen, sozialen oder ethischen Kriterien basieren. Auch nachhaltige Aktien sollten deshalb zu Ihren Präferenzen beim „magischen Dreieck“ der Vermögensanlage passen: Sicherheit, Rendite, Verfügbarkeit. Bevor Sie sich für eine oder mehrere grüne Aktien entscheiden, sollten Sie sich über Ihre persönlichen Bedürfnisse und Ziele im Klaren sein. Natürlich möchte jeder Anleger einen hohen Ertrag erzielen, dabei kein Risiko eingehen und auch kurzfristig auf das angelegte Geld zugreifen. Aber es gibt keine Kapitalanlage, die alle drei Kriterien erfüllt – schon eine hohe Rendite und Sicherheit schließen sich gegenseitig aus.
Eckpunkt 1: Sicherheit
Setzen Sie vor allem auf Sicherheit, wenn Sie Risiken minimieren und das eingesetzte Kapital möglichst erhalten wollen. Die Sicherheit einer grünen Aktie hängt von der Bonität des Unternehmens ab, aber auch vom Kursrisiko wirtschaftlicher und politischer Veränderungen. Nachhaltige Aktien ausländischer Unternehmen zum Beispiel hängen stark von der Währungs- und der politischen Stabilität des entsprechenden Landes ab. Um die Sicherheit zu erhöhen, sollten Sie Ihre grünen Aktien diversifizieren, also breiter auf unterschiedlichen Unternehmen und Branchen streuen – oder gleich nachhaltige Aktienfonds wählen.
Eckpunkt 2: Rendite
Die Rentabilität Ihrer nachhaltigen Aktie setzt sich aus ihren Erträgen zusammen: Dividendenauszahlungen, Wertsteigerungen durch Kursveränderungen sowie sonstige Auszahlungen. Dividenden können schwanken und fließen Ihnen entweder regelmäßig zu oder werden (bei einem Aktienfonds) thesauriert, also in weitere Aktienanteile investiert. Mit der Rendite als Kennzahl können Sie die Rentabilität unterschiedlicher Aktien vergleichen. Für Privatpersonen ist die Rendite nach Steuern ausschlaggebend, da sie auf Kapitalerträge Steuern zahlen müssen.
Eckpunkt 3: Liquidität
Die Liquidität einer nachhaltigen Aktie hängt von der Geschwindigkeit ab, mit der Sie sich das gesamte oder einen Teil Ihres Kapitals wieder auszahlen lassen können. Börsennotierte Aktien sind meist hoch liquide, während sie gleichzeitig mit Risiko einhergehen.
Eckpunkt 4: Nachhaltigkeit
Mit dem Kriterium Nachhaltigkeit bekommt das klassische magische Dreieck quasi eine vierte Ecke. Der Vorteil: Nachhaltigkeit kollidiert nicht mit den übrigen drei Eckpunkten. Denn die widersprechen sich zum Teil – eine hohe Rendite geht zum Beispiel auf Kosten der Sicherheit, und andersherum. Aber Aktien können nachhaltig und trotzdem rentabel sein.
Mehr Transparenz für nachhaltige Aktien
Pflichtfrage nach Nachhaltigkeit
Bei jeder serösen Anlagenberatung werden Sie nach Ihren Vorgaben für Sicherheit, Rendite und Liquidität gefragt. Und seit dem 2. August 2022 auch nach Ihren persönlichen Nachhaltigkeitspräferenzen – das schreibt die Finanzmarktrichtlinie MiFID II europaweit vor. Damit soll das Thema Nachhaltigkeit in die Finanzberatung einbezogen werden, um beispielsweise mehr Kapital in umweltfreundliche, soziale und ethische Aktien zu lenken.
Europaweit immer mehr Nachhaltigkeit
Europaweit sollen nachhaltige Aktien in Zukunft transparenter und vergleichbarer werden. Dafür wird das etablierte freiwillige Gütesiegel EU Ecolabel auf den Finanzsektor erweitert. Das EU Ecolabel zeichnet seit 1992 umweltfreundliche Produkte und Dienstleistungen aus, mittlerweile sind es rund 90.000 verschiedene. Bald soll es auch ausgewählte grüne Finanzdienstleistungen zertifizieren. Die vorgegebenen Kriterien sind deutlich klarer als die bisherigen, teils sehr dehnbaren Interpretationen:
- Investitionen in ökologisch nachhaltige Wirtschaftstätigkeiten
- Ausschluss von Aktivitäten aufgrund von Umweltaspekten
- Ausschluss von Aktivitäten aufgrund von sozialen und Governance-Aspekten
- Dokumentierter Engagement-Dialog
- Maßnahmen zur Verbesserung des Einflusses auf Investoren
- Informationen für Kleinanlegerinnen
- Informationen auf dem EU-Umweltzeichen gemäß festgelegter Richtlinien
Das EU Ecolabel soll zwar nicht verpflichtend werden. Aber weil nachhaltige Kapitalanlagen wie grüne Aktien immer stärker nachgefragt werden, haben Unternehmen und Branchen ein starkes Eigeninteresse, mit einer etablierten Zertifizierung für umweltfreundliche Aktien zu werben. Dadurch wird das Angebot grüner Aktien deutlich transparenter.
Wichtiger Hinweis
Der vorstehende Text sowie die Hinweise und Informationen stellen ausdrücklich keine Anlageberatung oder Empfehlung dar. Es handelt sich bei allen Aussagen um eine/unsere allgemein veröffentlichte Meinung. Die Informationen im vorstehenden Text sind nicht auf eine individuelle Situation zugeschnitten und sind daher kein Ersatz für eine professionelle und individuelle Beratung durch hierfür qualifizierte Personen.
Risikohinweis: Die Wertentwicklung in der Vergangenheit stellt keinen zuverlässigen Indikator für die zukünftige Entwicklung dar. Aktien und Fonds können steigen und fallen, selbst ein Totalverlust ist nicht ausgeschlossen.