Berufsunfähigkeitsversicherung: Die Rolle der Krankenakte
Fragen zur persönlichen Krankengeschichte sollten gewissenhaft beantwortet werden
Wer durch einen Unfall oder eine Erkrankung vorübergehend oder dauerhaft berufsunfähig wird, steht durch den Wegfall des Einkommens häufig vor großen Problemen. Eine rechtzeitig abgeschlossene Berufsunfähigkeitsversicherung (BU) kann vor dem finanziellen Ruin schützen.
Doch die vertraglich vereinbarte BU-Rente wird nur dann ausbezahlt, wenn der Versicherungsnehmer bei der Risikoprüfung korrekte Angaben zu seinem Gesundheitszustand gemacht hat. Kann die Versicherungsgesellschaft nachweisen, dass der Versicherte die Gesundheitsfragen vorsätzlich oder fahrlässig falsch beantwortet hat, kann sie den Versicherungsnehmer leistungsfrei stellen.
Tritt der Leistungsfall ein, wird die Versicherungsgesellschaft Einsicht in die Patientenakte des Versicherten beantragen. Sollten Ungereimtheiten aufgedeckt werden, kann sie die Zahlung der BU-Rente verweigern. Daher ist es äußerst wichtig, vor Vertragsabschluss die Fragen zur persönlichen Krankengeschichte gewissenhaft und sorgfältig zu beantworten.
Vor Abschluss der BU-Versicherung: Krankenakte einholen
Wer eine Berufsunfähigkeitsversicherung abschließen möchte, ist gesetzlich dazu verpflichtet, korrekte Angaben zu seinem Gesundheitszustand zu machen. Im Versicherungsvertragsgesetz (VVG) § 19 Absatz 1 heißt es: „Der Versicherungsnehmer hat bis zur Abgabe seiner Vertragserklärung die ihm bekannten Gefahrumstände, die für den Entschluss des Versicherers, den Vertrag mit dem vereinbarten Inhalt zu schließen, erheblich sind und nach denen der Versicherer in Textform gefragt hat, dem Versicherer anzuzeigen.“ Und in Absatz 2: „Verletzt der Versicherungsnehmer seine Anzeigepflicht nach Absatz 1, kann der Versicherer von dem Vertrag zurücktreten.“
Der Gesetzgeber verlangt also lediglich, dass sich der Antragsteller intensiv Gedanken zu seiner Krankengeschichte macht – das Einholen der Patientenakte ist nicht verpflichtend. Dennoch kann es ratsam sein, die Krankenakte vom Arzt anzufordern, um korrekte Angaben zum Gesundheitszustand machen zu können. Denn der Abfragezeitraum beträgt bei ambulanten Behandlungen in der Regel fünf Jahre, bei stationären Behandlungen meist sogar zehn Jahre. Es ist gut möglich, dass sich der Versicherungsnehmer nicht mehr an jede einzelne Diagnose aus diesem Zeitraum erinnern kann. Manchmal finden sich auch Verdachtsdiagnosen in der Patientenakte, von denen der Betroffene keinerlei Kenntnis hatte. Das Einholen der Akte verschafft Klarheit und hilft dabei, wahrheitsgemäße Angaben gegenüber der Versicherungsgesellschaft machen zu können.
Berufsunfähigkeitsversicherung: Patientenakte fehlerhaft?
Gemäß § 630g Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) hat jeder Patient ein Recht darauf, auf Verlangen unverzüglich Einsicht in die eigene Krankenakte zu erhalten, „soweit der Einsichtnahme nicht erhebliche therapeutische Gründe oder sonstige erhebliche Rechte Dritter entgegenstehen.“ Der Arzt ist demnach verpflichtet, seinem Patienten auf Wunsch eine Kopie der Krankenakte auszuhändigen – digital oder in Papierform.
Entdeckt der Patient beim Lesen seiner Akte eine ihm unbekannte Vorerkrankung, so kann dies verschiedene Gründe haben. Möglicherweise handelt es sich um eine Gefälligkeitsdiagnose, weil der Patient seinen Arzt um eine Krankschreibung gebeten hatte. Oder der Patient hatte einst während der Anamnese eine depressive Verstimmung erwähnt, welche zwar nicht behandelt, aber vom Mediziner gewissenhaft in der Patientenakte vermerkt wurde. Sollte sich eine Diagnose in der Akte finden, die sich als unzutreffend oder unstimmig herausstellt, muss diese allerdings nicht gelöscht werden. Es genügt eine Stellungnahme bzw. ein Attest des Arztes, um die fehlerhafte Diagnose zu korrigieren.